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Frank Pubantz, PNNHeinz Thiel, MAZ
 Barbara Wiesener, PNN
 Karl-Heinz Arnold, ND
 Carmen Winter, Oder-Anzeiger
 Rolf D. Bathe, Nuthe-Bote
 Karl-Heinz Arnold, Berliner Lesezeichen
 
 
Ein Denkmal setzte der Märkische Verlag Wilhelmshorst
 dem ersten Ministerpräsidenten Brandenburgs, Carl Steinhoff (1892-1981),
 mit der Vorstellung des ersten Bands der Buchreihe "Wilhelmshorster".
 Die Reihe soll berühmte Wilhelmshorster Personen würdigen.Der Erstlingstitel lautet: "Carl Steinhoff übersetzte sieben
 italienische Novellen von Alfredo Panzini und Francesco Pastonchi - Anhang zu
 Leben und Werk", Anlaß der Herausgabe des Bands waren der 15.
 Todestag Steinhoffs sowie der 50. Jahrestag der Gründung des Landes
 Brandenburg im vergangenen Jahr.
 In der Laudatio würdigte der Wilhelmshorster Bürgermeister, Olaf
 Lindenau, den früheren Landesobersten als einen Mann, der seinen
 Prinzipien immer treu geblieben sei. Hintergrund: Dem Sozialdemokraten
 Steinhoff wurde 1933 von den Nazis die Ausübung seines Anwaltsberufs
 verboten. Vorher hatte man ihn bereits aus einer hohen Regierungsposition
 im ostpreußischen Königsberg entfernt. Bis zum Jahr 1945 zog sich
 der gebürtige Westfale daraufhin nach Wilhelmshorst ganz in das
 Privatleben zurück.
 Auch zu DDR-Zeiten geriet Steinhoff mit dem Regime in Konflikt Nach seiner
 dreijährigen Amtszeit als brandenburgischer Ministerpräsident
 (1946-49) war er bis 1952 der erste DDR-Innenminister. Seine Überzeugung
 von der notwendigen Vereinigung Deutschlands beförderte ihn erneut ins
 politische Abseits.
 Die vorzeitige Pensionierung im Alter von 60 Jahren wurde mit seinem angeblich
 schlechten Gesundheitszustand begründet. Die Jahre bis zu seinem Tod
 verbrachte er zurückgezogen auf seinem Wilhelmshorster Anwesen.
 Die Jahre seiner "Berufspause" in den dreißiger Jahren hatte
 Steinhoff mit der autodidaktischen Vervollkommnung seiner italienischen
 Sprachkenntnisse verbracht. Ein Produkt dieser Zeit ist die nun erstmals
 veröffentlichte Übersetzung der Novellen Alfredo Panzinis (1863-1939)
 und Francesco Pastonchis (1877-1953).
 Ergänzt wird das insgesamt 211 Seiten starke Werk durch ein Lebensbild
 Steinhoffs, das sein Sohn Rudolf entwarf. Der Historiker Hans-Joachim
 Schreckenbach zeichnet für den im Buch enthaltenen Abriß
 brandenburgischer Geschichte von 1945 bis 1949 verantwortlich. Die
 illustrierenden Kreidezeichnungen stammen von dem Wilhelmshorster Künstler
 Manfred Rößler.
 Frank Pubantz, PNN, 27.01.1997 
 
Daß ein Jurist und Politiker italienische Novellen der Jahrhundertwende
 literarisch ausgewogen ins Deutsche übersetzt, ist nicht gerade
 alltäglich. Daß vor einigen Tagen ein Jurist und Politiker
 eine feinsinnige Laudatio dazu hält, ebenso.Anlaß war die Buchpremiere des Märkischen Verlags Wilhelmshorst:
 "Carl Steinhoff" - erster Nachkriegs-Ministerpräsident des
 Landes Brandenburg und erster Innenminister der DDR.
 Wenn sich in seinem politischen Leben die Bemühungen um die Entwicklung
 einer sozialistischen Demokratie nicht erfüllt haben - Dr. Carl Steinhoffs
 "große Verdienste bei der Überwindung der Folgen des Krieges
 und beim Neuaufbau einer demokratischen Ordnung sind unbestritten," so
 Dr. Schreckenbach in seinem Buchkommentar. Eine bemerkenswerte
 Persönlichkeit in der Geschichte des Landes Brandenburg aus Vergangen-
 und Vergessenheit wiedererweckt zu haben, dafür gebührt dem Verlag Dank.
 Heinz Thiel, MAZ, 30.01.1997 
 
Als der sozialdemokratische Politiker und Jurist, Dr. Carl Steinhoff, sich 1933
 der italienischen Literatur zuwandte, war er in der Tat am Ende seiner
 politischen und beruflichen Karriere. Zunächst. Mit dem Berufsverbot
 sowohl als Rechtsanwalt als auch als sozialdemokratischer Politiker belegt,
 füllte er die Jahre seiner Zwangspensionierung mit dem Studium der
 italienischen Sprache und Literatur aus. Die italienischen Schriftsteller
 Alfredo Panzini (1863-1939) und Francesco Pastonchi (1877-1953), deren
 Erzählungen sich im Gegensatz zu der Literatur der mondänen Welt des
 "Fin de Siecle" dem unspektakulären Leben der kleinen Leute
 widmeten, waren in Deutschland unbekannt. Die politisch-sozialen
 Veränderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählen beide Autoren
 am Beispiel der italienischen kleinbürgerlichen Familie. Leise und
 poetisch eindringlich im inneren Exil in Wilhelmshorst in den Jahren der
 NS-Zeit übersetzt, fanden die Arbeiten Carl Steinhoffs keinen Verleger.
 So blieben die Manuskripte für Jahrzehnte unbeachtet im Schreibtisch, auch
 als Steinhoff von 1945 bis 1952 noch einmal als Ministerpräsident des
 Landes Brandenburg und als Innenminister der ersten DDR-Regierung ins
 politische Leben, zeitweise nur, zurückkehren durfte.Als er 1952 wieder an den Wilhelmshorster Schreibtisch zurückversetzt
 wurde, konnten die Manuskripte auch nicht der Öffentlichkeit
 zugänglich gemacht werden. "Es war alles umsonst", sagte
 Carl Steinhoff, als er 1981 90jährig starb. Und damit meinte er wohl auch
 die scheinbar vergessenen italienischen Novellen. Ganz vergessen waren sie
 nicht. So konnten der Wilhelmshorster Verleger Klaus-Peter Anders und Rudolf
 Steinhoff eine Auswahl von sieben Novellen der Öffentlichkeit vorlegen.
 Ein schmaler Band ist entstanden mit Geschichten aus dem italienischen Alltag
 zur Zeit der Jahrhundertwende, über denen ein Zauber liegt, der in eine
 Märchenwelt entführt. In die Welt der "Fiabe".
 Barbara Wiesener, PNN, 30.01.1997 
 
Buchpremiere in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam - ein Bändchen
 mit sieben italienischen Novellen und einem informativen Anhang wurde
 vorgestellt, doch im Grunde ging es weniger um diese Texte, als um ihren
 Übersetzer: Carl Steinhoff, 1946 erster Ministerpräsident von
 Brandenburg, 1949 erster Innenminister der DDR, 1952 von dieser Funktion
 "aus Gesundheitsgründen entbunden", 1981 fast neunzigjährig
 gestorben in bitterer Erkenntnis - es war alles umsonst.Herbert Knoblich, der heutige Landtagspräsident, fand bei der Veranstaltung
 dafür die ebenso einfache wie treffende Erklärung: So hatte Steinhoff
 sich das nicht gedacht. Was da in der DDR nach der Vereinigung von SPD und KPD
 politisch praktiziert und deformiert wurde, entsprach immer weniger den
 Intentionen des Juristen, Politikers und Verwaltungsfachmanns. Anfang der 30er
 Jahre war er der SPD beigetreten, 1945 hatte er an ihrer Neubildung in Potsdam
 mitgearbeitet und die Vereinigung mit der KPD von Herzen gewollt, eingedenk
 aller Folgen, die aus der Uneinigkeit der beiden großen Parteien
 entstanden waren. Es versteht sich übrigens, daß Steinhoff wegen
 seines Eintretens für die Bodenreform sowie für die Enteignungen
 entsprechend dem Potsdamer Abkommen der vier Mächte heute in bestimmten
 Kreisen eine Unperson ist.
 Ernster, tragischer Hintergrund auch dies: Carl Steinhoff, bis 1932
 Vize-Oberpräsident von Ostpreußen, war schon vor dem Machtantritt
 der Nazis in den "einstweiligen Ruhestand" geschickt worden, nachdem
 Reichskanzler Franz von Papen die preußische Regierung unter Otto Braun
 abgesetzt hatte. Göring verfügte dann die endgültige Entlassung
 einschließlich Berufsverbot als Anwalt. Die Strafpension des Dr.
 Steinhoff lag unter 50 Prozent seiner letzten Bezüge.
 In dieser Zeit der ersten Maßregelung vervollkommnete er sein Italienisch
 und übersetzte eben jene Novellen, um ein Zubrot zu verdienen. Ein
 Verleger aber fand sich erst rund 60 Jahre später - der Märkische
 Verlag in Wilhelmshorst, wo Carl Steinhoff Jahrzehnte gelebt hat.
 Dennoch eine heitere Begegnung: Potsdamer Studenten boten Leseproben aus den
 Novellen von Alfredo Panzini- und Francesco Pastonchini. Wie sollte man nicht
 schmunzeln, als zum Beispiel die Rede kam auf einen Lehrer, einen professore,
 der so oft auf die Regierung geschimpft hat, aber sich doch fragen muß,
 wie er wohl seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, wenn es keine
 Regierung gäbe, die ihn bezahlt. Und so empfindet der gute professore
 "zum ersten Mal eine fast liebevolle Zuneigung für die Regierung, den
 Staat", dieses "segenspendende Gebilde", wie Panzini (1863-1939)
 geschrieben und Steinhoff übersetzt hat.
 Hochbetagt hat Carl Steinhoff zwar zu Honeckers Zeiten noch den Karl-Marx-Orden
 erhalten, aber als Person der Zeitgeschichte existierte er offiziell
 längst nicht mehr. Kurzzeitig hatte er als Kandidat zum Ulbrichtschen
 Politbüro des Zentralkomitees der SED gehört, bevor er durch
 Politbürobeschluß aus diesem obersten Führungsgremium und aus
 der Schlüsselfunktion Innenminister entfernt wurde. Man bedenke: Ein
 promovierter Jurist, der Latein ebenso wie Altgriechisch in Wort und Schrift
 beherrschte sowie schöngeistige Literatur übersetzte, in diesem
 Politbüro - das konnte nicht gutgehen!
 Carl Steinhoff mit seinem Sinn für milden Spott und bittere Ironie
 hätte sich dazu wohl trefflich äußern mögen.
 Preußisch erzogen, wie er war, hat er geschwiegen.
 Karl-Heinz Arnold, ND, 04.02.1997 
 
"Fragen Sie mal in der Stammtischrunde nach dem Namen des ersten
 Ministerpräsidenten von Brandenburg", so empfahl der Verleger
 Klaus-Peter Anders am vergangenen Mittwoch in der Frankfurter Stadtbibliothek.
 Die Antwort wird ebenso schnell wie falsch ankommen: Manfred Stolpe. Der erste
 war und bleibt nämlich Carl Steinhoff, von 1933 bis 1981 Wilhelmshorster
 Bürger und nicht nur als solcher interessant für den dort
 ansässigen "Märkischen Verlag". Der hat sieben italienische
 Novellen in der Übersetzung von Steinhoff ausgegraben, sie mit einem
 Lebensbericht seines Sohnes zusammengestellt und sucht mit diesem Buch nun den
 Kontakt zum Leser.Denn Steinhoff hat alles andere verdient, als vergessen zu werden. Der Jurist,
 seit 1923 Mitglied der SPD, war schon 1933 von Hermann Göring wegen
 politischer Unzuverlässigkeit "beurlaubt" worden. Damals zog
 Steinhoff sich nach Wilhelmshorst bei Potsdam zurück, baute mit
 Unterstützung seines Vaters ein Haus und vervollkommnete sein Italienisch.
 Die Novellen, die er damals übersetzte, blieben bis 1996
 unveröffentlicht. 1945 bis 1949 war Steinhoff erster
 Ministerpräsident von Brandenburg und wurde 1952 abermals vorzeitig in den
 Ruhestand geschickt. Einen weiteren Versuch, seine demokratischen Ideen zu
 ersticken, brauchte es nicht. Steinhoff lebte bis zu seinem Tode 1981
 zurückgezogen in dem kleinen märkischen Ort.
 Gemeinsam mit Studenten der Uni Potsdam (Ulrike Gerling und Tobias Bracht) und
 der Frankfurter Musikschülerin Juliane Stein brachte Anders dem leider
 nicht gerade zahlreich erschienenen Publikum ein Stück brandenburgische
 Landesgeschichte näher. Die Zeit dazwischen, zwischen 1945 und 1949, ist
 ja ebenso wie die Männer und Frauen, die sie prägten, weitgehend in
 Vergessenheit geraten. Wer mehr darüber erfahren will, begebe sich auf die
 Spuren von Carl Steinhoff. Nicht nur seine Biografie kann Aufschluß
 geben, interessant zu lesen sind sicher auch seine Zeitungsartikel aus den
 Jahren nach 1945, in denen er sich immer wieder für ein geeintes Deutschland
 einsetzte und Vorschläge für die Umsetzung dieser Idee machte.
 Carmen Winter, Oder-Anzeiger, 30.04.1997 
 
Nicht hundert Jahre, wie Dornröschen, aber sechzig Jahre schlummerten die
 Werke von Prof. Dr. Carl Steinhoff unveröffentlicht im Verborgenen.
 Wiederentdeckt von seinem Wilhelmshorster Nachbarn Dr. Anders…Die italienischen Novellen, heute liebevoll in einem kleinen Buch
 zusammengefaßt, sind die Produkte einer langen Pause, zu der ihn erst die
 Nationalsozialisten und später die Kommunisten verurteilt haben. Wegen
 seiner aufrechten Haltung und seines Eintretens für die
 Völkerverständigung mit Polen war der preußische
 Provinzialbeamte den Extremisten ein Dorn im Auge und mußte mit vielen
 anderen Sozialdemokraten 1930 den Staatsdienst verlassen. Der
 Zwangspensionär wurde von Göring darüber hinaus mit Berufsverbot
 belegt. Die italienische Sprache war für Steinhoff eine geistige,
 Wilhelmshorst wurde für den gebürtigen Westfalen seine neue irdische
 Heimat.
 Dem märkischen Sand rang der studierte Jurist Grünkohl und Spalierobst
 ab, die Lektüre der italienischen Zeitung "Corriere de la Sierra"
 trug seine Gedanken über die eng gewordenen Grenzen Preußens und
 Deutschlands hinaus. Die launigen Novellen von Panzini und Pastonchi brachten
 Steinhoff wieder zu den Menschen, für die er sich unermüdlich und
 erfolgreich in den Jahren zuvor eingesetzt hatte.
 Mit ungebrochenem Willen nach der langen Wartezeit hat sich der bewährte
 Politiker Steinhoff schon in den ersten Tagen nach der Kapitulation wieder der
 russischen Militäradministration zur Verfügung gestellt und wirkte
 zunächst ganz bescheiden in der Provinzialverwaltung in Potsdam mit.
 Großer persönlicher Einsatz, preußische Pflichterfüllung
 haben dem Wilhelmshorster rasch hohes Ansehen verschafft. Nach der bis 1990
 letzten freien Wahl zum Landtag wurde Carl Steinhoff 1946 der erste
 Ministerpräsident der Mark Brandenburg. Seine schaffensreiche Zeit
 für Menschen und Land endete wieder mit einem Berufsverbot, diesmal durch
 Ulbricht, dem der aufrechte Sozialdemokrat ein Hindernis auf dem Weg zur Macht
 war. Anders, Verleger, Setzer und Vertriebsleiter des Märkischen Verlags
 in Wilhelmshorst in einer Person, ist auch Initiator der Dichterlesungen in
 Wilhelmshorst. Vorzugsweise, hebt der Jungunternehmer hervor, publiziert er
 "aus der Mark, für die Mark", wobei nicht die Mark im Geldbeutel
 gemeint sein kann. Gedruckt werden Werke von Zeitgenossen, die eben noch nicht
 bekannt sind, und die werfen bekanntlich nicht viel ab…
 Rolf. D. Bathe, Nuthe-Bote, 3/1997 
 
Man weiß nicht, was den Juristen und Verwaltungsfachmann Carl Steinhoff
 zur Auswahl der beiden Autoren veranlaßt hat, deren Novellen er in den
 dreißiger Jahren aus dem Italienischen übersetzte. Alfredo Panzini
 und Francesco Pastonchi mit ihren im ersten Dezennium dieses Jahrhunderts
 entstandenen Erzählungen gehören eher zu den Randfiguren der
 italienischen Literatur. Sie sind jedoch unentbehrlich, um deren breites und
 nuancenreiches Spektrum in jener Zeit zu erfassen. So die Romanistin Sabine
 Zangenfeind (Universität Potsdam) im Anhang zu dem Buch, das im Grunde
 doch ein anderes Anliegen hat, als Lesestoff aus dem kulturell reichen Italien
 zu vermitteln. Es soll vielmehr helfen, einen Politiker aus dem historischen
 Schatten zu holen, in den er bereits während der ersten Jahre der DDR
 gestellt worden ist.Carl Steinhoff wurde nach der Landtagswahl von 1946 erster
 Ministerpräsident des Landes Brandenburg, nachdem er zuvor als
 Präsident der zunächst geschaffenen Provinzialverwaltung gearbeitet
 hatte, eingesetzt bereits im Juni 1945 von der Sowjetischen
 Militäradministration. Auf Wunsch des damals noch einflußreichen
 Wilhelm Pieck, 1949 bis 1960 Präsident der DDR, berief der ehemalige
 Sozialdemokrat Otto Grotewohl den ehemaligen Sozialdemokraten Steinhoff als
 Innenminister in die erste DDR-Regierung.
 Zahlreiche Daten und Fakten aus Steinhoffs Vita bietet der Anhang des Buches,
 insbesondere in einem von seinem Sohn Rudolf verfaßten Lebensbild. Daraus
 ist auch ersichtlich, wie es zum Übersetzen italienischer Erzählungen
 kam. Reichskanzler von Papen hatte 1932 die preußische Regierung unter
 dem Sozialdemokraten Otto Braun abgesetzt, ein staatsstreichartiger Akt. Damit
 wurde auch der Vize-Oberpräsident von Ostpreußen, Dr. jur. Carl
 Steinhoff, in den "einstweiligen Ruhestand" geschickt. So war er mit
 knapp 40 Jahren vor die Frage gestellt, wie er sich ein Zubrot verdienen
 könnte, zumal ihn Göring, neuer preußischer
 Ministerpräsident, alsbald endgültig entließ und Berufsverbot
 für eine Anwaltstätigkeit erteilte, verbunden mit einer Strafpension
 von rund 450 Reichsmark, was weniger als die Hälfte der Bezüge
 bedeutete. Die von Steinhoff übersetzten Erzählungen fanden jedoch
 damals keinen Verleger.
 Nach dem Krieg holte ein Mitglied der Gruppe Ulbricht - Bernhard Bechler - den
 von den Nazis gemaßregelten Steinhoff, seit Anfang der dreißiger
 Jahre SPD-Mitglied, aus seinem Haus in Wilhelmshorst bei Potsdam ins politische
 Leben zurück. Die SMAD vertraute ihm das vom Krieg schwer gezeichnete
 Brandenburg an. Vier Jahre später zog er in ein großes Erkerzimmer
 des ehemaligen Bankgebäudes in der Berliner Mauerstraße, nun
 Innenministerium. Knapp drei Jahre später, im Mai 1952, entfernte das
 Politbüro unter Vorsitz Walter Ulbrichts Steinhoff aus diesem Gremium
 und verfügte in derselben Sitzung seinen Rücktritt als Innenminister,
 natürlich aus "Gesundheitsgründen". Ein hochgebildeter
 Intellektueller und Jurist alter Schule, der noch Sinn für demokratisches
 Korrektiv und Gewaltenteilung hatte, paßte weder in dieses von einem Mann
 dominierte "Kollektiv" noch durfte er auf die Dauer Innenminister
 sein, dem die gesamte Polizei unterstand. Im Abriß der Geschichte der
 SED, 1978 mit Honeckers Segen erschienen, ist eine Passage zum Jahr 1950 zu
 lesen, die bei aller Verklausulierung ahnen läßt, daß damit
 auch Steinhoff gemeint war, der damals einen eigenen Entwurf für die erste
 Verfassung der DDR erarbeitet hatte, orientiert an der Weimarer Verfassung. Da
 heißt es: Reaktionäre Kräfte im Staatsapparat wandten sich
 "gegen das Prinzip des demokratischen Zentralismus und redeten der in
 bürgerlichen Verfassungen üblichen ‚Gewaltenteilung’ in
 Gesetzgebung, Exekutive und Rechtsprechung das Wort".
 Zweite Maßregelung also, diesmal mit 60 Jahren, Beginn von mehr als zwei
 Jahrzehnten Verbitterung, Selbstdisziplin, Zwiesprache mit Literatur, speziell
 der alten Griechen, deren Weisheit Steinhoff auch in so manchem Brief zu Papier
 brachte, aus dem Kopf und in gestochener Schrift. Im Nachlaß des 1981 mit
 fast 90 Jahren gestorbenen Wilhelmshorster Eremiten fanden sich ebenjene
 Übersetzungen. Ende 1996 hat der Potsdamer Landtag, an die Konstituierung
 des brandenburgischen Parlaments von 1946 erinnernd, auch des Politikers Carl
 Steinhoff gedacht, eines gradlinigen Mannes, der zweimal Persona non grata
 wurde, und dies aus keineswegs ganz unterschiedlichen Gründen.
 Panzini und mehr noch Pastonchi mögen durchaus zu den wenig bekannten
 italienischen Schriftstellern gehören. Die Lektüre ihrer
 Erzählungen bringt dennoch Gewinn, weil sie eine beruhigende und zugleich
 reizvolle Atmosphäre ländlichen und kleinbürgerlichen Lebens
 vermitteln. Namentlich "Kälte" von Pastonchi sowie
 "Transitive Verben und die Schule des Lebens" von Panzini sind
 geradezu zauberhaft…
 Ach ja - eine Räuberpistole mit durchaus aktuellen Bezugsmöglichkeiten
 bietet das Büchlein auch. Steinhoff berichtete sie später seiner
 Familie als "spannende Episode", nicht ohne Spott in den
 Augenwinkeln. Im Juli 1945 war der eben ernannte Präsident der
 Provinzialverwaltung mit einem blauen Opel Olympia der SMAD auf der Heimfahrt
 von Potsdam nach Wilhelmshorst. Unterwegs stoppten einige Männer in
 Uniform der Roten Armee den Wagen - sie hätten eine Panne, bäten um
 Abschlepphilfe. Es waren Banditen: Als der Fahrer des Opel ausgestiegen war, um
 das Abschleppseil zu befestigen, wurde Steinhoff mit vorgehaltener Pistole zum
 Verlassen des Wagens gezwungen, mit dem die Uniformierten davonfuhren. Der Herr
 Präsident durfte nach Hause laufen, sein Fahrer zurück nach Potsdam.
 Karl-Heinz Arnold, Berliner LeseZeichen, 03/1997 |