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Andreas Fritsche, ND
Jörg Sundermeier, BZ
Wolfgang Tripmacker, Marginalien
Petra Jenny Vock, Wirkendes Wort
Klaus Büstrin, PNN
Martin Stefke, MAZ
Steffen Reichel, Volksstimme
Wilhelm Ziehr, Märkischer Bogen

Jutta Vinzent gab ein Lesebuch heraus, das Auszüge aus Köppens Schriften nebst Aufsätzen und Rezensionen zu seinem Werk enthält. Abgedruckt ist auch das Hörspiel "Wir standen vor Verdun". Köppen komponierte es aus Zitaten auch kriegsverherrlichender Texte zum Beispiel von Ernst Jünger. Das Ergebnis war pazifistisch, was Jünger und andere erboste. Köppens "Heeresbericht" landete auf der Liste "unerwünschten Schrifttums". Köppen veröffentlichte ab 1934 unter dem Pseudonym Joachim Felde. Humoristisch verarbeitete er den Bau seines Eigenheims in Wilhelmshorst. Köppen sammelte offenbar noch Material wie Zeitungsausschnitte, um später ein Buch gegen die Faschisten zu schreiben. Doch dazu kam es nicht mehr.

Andreas Fritsche, ND, 01.12.2008


Ein Autor, der Wilhelmshorst - auch wenn es bei ihm Waldfelde heißt - mit seinem Roman "Vier Mauern und ein Dach" ein Denkmal setzte, ist heute in seinem Heimatort fast genauso vergessen wie im restlichen Deutschland. Dabei ist Edlef Köppen, geboren 1883 in Genthin, beerdigt 1939 in Wilhelmshorst, beileibe keiner, den man vergessen darf. Sein berühmter pazifistischer Roman "Heeresbericht" von 1930 ist immerhin noch im Buchhandel lieferbar. Seine weiteren Romane jedoch sind ebenso wie die kürzeren Texte nicht mehr zugänglich. Ein von der Kennerin Jutta Vinzent herausgegebenes Köppen-Lesebuch unter dem allzu nichtssagenden Titel "Aufzeichnungen" ist allerdings soeben im Märkischen Verlag Wilhelmshorst erschienen. Mithilfe dieses Bandes versucht der kleine Verlag an den außergewöhnlichen Dichter und Verleger, der zugleich auch noch Radiopionier war, zu erinnern...

Jörg Sundermeier, Berliner Zeitung, 11.08.2007


Diesem Ende des vergangenen Jahres erschienenen Buch verdanken wir die Wiederentdeckung von Beiträgen Köppens zur Bibliophilie. Jutta Vincent, Dozentin in Birmingham, hat in dem Band eine Fülle zum Teil schwer zugänglicher Texte Köppens zusammengestellt, und der Verleger Klaus P. Anders hat zehn Beiträge von einigen mit Werk und Leben Köppens vertrauten Zeitgenossen hinzugefügt. Jutta Vincent hat in das Buch auch den Beitrag aufgenommen, den Köppen unter dem Titel "Das Ende der Bibliophilie?" - bewußt mit einem Fragezeichen - in der Zeitschrift "Die neue Bücherschau" 1925 veröffentlichte. Er stellt darin zunächst mit ironischem Unterton fest, daß der "freigegebene Devisenverkehr und die zur Zeit erheblich hohen Preise auf den Speisekarten" es mit sich gebracht haben, "daß die meterweise Bestellung auf Luxusbücher, die noch vor kurzem zum bon ton gehörte, eingestellt ist". Köppen bedauert den Untergang der Luxusbücher-Mode nicht, die ohne den "Ledereinband, der zum mindesten aus gegerbter Esel- oder Menschenhaut hergestellt sein mußte", nicht auskam, und freut sich, daß die "parfümierte, limitierte, handsignierte Luxusausgabe Hedwig Courths-Mahler" nicht erscheint.
Nachdem Köppen Ursachen und Schuld für diese Fehlentwicklung erörtert hat, bricht er eine Lanze für die wahre Bibliophilie, die "Liebe zum Buch", die "lebt und ... bald wieder ein wesenhafter Faktor im Existieren des modernen Menschen" sein wird. Diesen fordert Köppen auf, seinen Leitfaden für schlichte Bibliophile zu benutzen.

Wolfgang Tripmacker, Marginalien, 2/2007


Die Werkauswahl im ersten Teil des Bandes, die viele bislang nur an entlegener Stelle in Zeitungen, Zeitschriften oder Anthologien erschienene Beiträge Köppens versammelt, folgt einer gemischten Anordnung thematischer und gattungsorientierter Rubriken, beginnend mit dem zentralen Sujet in Köppens Werk, dem Ersten Weltkrieg. Hier finden sich nicht nur vier Auszüge aus Köppens Heeresbericht sondern auch eine kleine Auswahl an Kriegsgedichten Köppens sowie zwei autobiographische Erzählungen, die die militäraffine, kriegsbegeisterte Stimmung der Zeit vor bzw. bei Kriegsbeginn thematisieren und so den Beginn der Entwicklung des Heeresbericht-Protagonisten Adolf Reisiger spiegeln. Dessen Weg von den ersten Tagen an der Front über die Desillusionierung angesichts der Kluft zwischen Front und Heimat und der verzweifelten Frage nach der Rechtfertigung des Tötens im Krieg bis zur Dienstverweigerung und Einweisung in die Irrenanstalt kurz vor Kriegsende kann man immerhin schlaglichtartig nachverfolgen, wobei auch der spezifische Stil des Heeresbericht, dokumentarisches Material mit der Reisiger-Erzählung zu kontrastieren, anhand einiger Beispiele deutlich wird. Letztlich sind sie vor allem als Anreiz zur Lektüre des gesamten Romans gedacht.
Weitere thematische Rubriken versammeln weitere Werke, in denen existentielle Themen eine zentrale Rolle spielen - so etwa in der Erzählung "Der Bericht" sowie Auszüge aus zwei Themenkreisen des Spätwerks: "Vier Mauern und ein Dach" sowie die Geschichten um Andreas. Die kurzen, eher gattungsorientierten Rubriken zu Köppens Tätigkeit im Verlag, beim Hörfunk sowie als Kritiker bieten vorwiegend essayistische und kritische Beiträge.
Der zweite Teil enthält Aufsätze über Edlef Köppen. Den Auftakt macht ein einführendes Porträt Köppens von Jutta Vinzent, gefolgt vom informativen Aufsatz Günter Wirths, der die "Beziehung zwischen Edlef Koppen und Hermann Kasack" zum Anlass nimmt, Köppen im Berliner Kulturleben der 1920er und 1930er Jahre zu positionieren und dabei auch noch auf weitere literarische Beziehungen und Freundschaften aufmerksam macht, etwa zu Gottfried Benn, Oskar Loerke oder Georg Kulka. An die Familie Köppen - mit Ehefrau Hedwig und Tochter Gabriele - erinnert Sigmund Kopitzki in zwei Kapiteln anhand bislang unpublizierter Familienbriefe sowie seiner eigenen Erinnerungen an Hete Köppen und ihre Sorge um den literarischen Nachlass ihres Mannes. ... Nichtsdestotrotz sei auf die insgesamt auch in Einband, Bildqualität und Typographie weitgehend ansprechende Gestaltung des Bandes verwiesen, so dass der bibliophile Köppen an dem Büchlein wohl einiges Gefallen gefunden hätte.

Petra Jenny Vock, Wirkendes Wort, Heft 1/2007


Das Buch stellt die verschiedensten schriftstellerischen Facetten Edlef Köppens vor, die sich lohnen, wahrgenommen zu werden. Wird doch in den Texten der Zeitgeist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der sich höchst unterschiedlich darstellte, lebendig.
Der Journalist und Schriftsteller Edlef Köppen erinnert sich an seine Schulzeit, die, wenn Soldaten in Anmarsch waren, ihn besonders beglückte. Köppen wurde als Schüler, wie fast alle seine Altersgenossen, in den Strudel der "Soldatenspiele" mit hineingerissen, die plötzlich ganz ernst wurden. Diese Tradition soll bekanntlich bis heute nicht abgeebbt sein. Köppen schreibt über die Potsdamer Schulzeit in einem Aufsatz im Jahre 1934 für die Kölnische Zeitung auch davon, als er 1914 mit weiteren 39 Schulkameraden in den Ersten Weltkrieg zog: "Hinaus ging's nach Wildpark, zur großen Verladerampe. Musik, tänzelnde Pferde, Geschütze, die rattern, Kommandos, dass uns das Herz an die Rippen schlug. Zweiunddreißig von den Vierzig kamen nicht wieder."
Die Schrecken des ersten Weltkrieges, an dem "ich als Kanonier, Gefreiter, Unteroffizier, Vizewachtmeister, Offiziersstellvertreter, Leutnant der Reserve weidlich teilnahm", belasteten ihn schließlich psychisch so stark, dass man ihn 1918 in eine Nervenheilanstalt einwies. Seine Kriegserlebnisse hat er versucht, in eindrucksvoller Weise in Gedichten sowie in seinem Roman "Heeresbericht" (1930) zu "verarbeiten": "Ich mache den Krieg nicht mehr mit. Ich weiß, ich lasse meine Kameraden im Stich, und das ist vielleicht feige. Aber: ja, ich bin feige. Ich will feige sein. Ich lege es ihnen ja immer wieder nahe. Erschießt mich doch. Aber ich mache nicht mehr mit. Ich will nicht länger mitschuldig sein." Köppen war dann auch kein Mitglied der Nazipartei. 1938 wurde unter anderen sein "Heeresbericht" in die "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" aufgenommen.
Herausgeberin Jutta Vincent schreibt in ihrem Essay über den Schriftsteller, dass dieser in seinen Publikationen nie die Politik des Nationalsozialismus angriff, "doch es gibt Hinweise, dass er seit 1933 dokumentarisches Material gesammelt hatte, um ein Buch gegen die Nationalsozialisten zu schreiben. Leider wurde dieses nicht realisiert und auch das Material ist nicht mehr aufzufinden." Kurzgeschichten, Romane, Filmmanuskripte hat Edlef Köppen verfasst. Darunter auch die köstliche Geschichte über den Bau seines Hauses in Wilhelmshorst.
Jutta Vincent, die eine Dissertation über Köppen schrieb, hat die Texte ausgewählt und ist als Herausgeberin des Buches hervorgetreten. Sie konnte mehrere Autoren gewinnen, die für die Köppen-Ausgabe schrieben: Klaus-Peter Anders, Siegmund Kopitzki, Wolfgang Tripmacker und Günter Wirth. Eine gute Auswahl, die Jutta Vincent getroffen hat. Auch mit den Beiträgen von Autoren, die über Köppen schrieben, hatte sie eine glückliche Hand. Da findet man solch einen wichtigen Beitrag über die Beziehungen zwischen Köppen und seinem Schriftstellerkollegen Hermann Kasack von Günter Wirth, in dem dieser die beruflichen und privaten Gemeinsamkeiten heraus stellte. Klaus-Peter Anders hat einen Text über Köppen und Wilhelmshorst beigesteuert. Bis Ende der fünfziger Jahren wohnten noch die Nachkommen Köppens im Haus am Friedensplatz 7-9. Das Wirken des Schriftstellers war auch in Wilhelmshorst jahrzehntelang wenig präsent. Erst in den vergangenen Jahren und besonders mit diesem Buch wird Edlef Köppen wieder einem größeren Kreis von Wilhelmshorstern, und nicht nur ihnen, zu einem Begriff. Es lohnt sich, seine Texte zu lesen.

Klaus Büstrin, Potsdamer Neueste Nachrichten, 12.04.2007


Man kann darüber streiten, ob der Einband dem Inhalt angemessen ist. Ob das gemusterte Himmelblau und die orangerote Fläche, ob so viel Buntheit wirklich zum Werk von Edlef Köppen passen. Farblos allerdings war der Autor nicht. Nein, Edlef Köppen ist durchaus so etwas wie eine schillernde Persönlichkeit des literarischen Lebens seiner Zeit gewesen. Und deshalb ist dem Märkischen Verlag Wilhelmshorst für das Edlef-Köppen-Lesebuch Anerkennung auszusprechen ... Der mit einem informativen Anhang versehene Sammelband - die Auswahl besorgte die an der Universität Birmingham lehrende Kunsthistorikerin Jutta Vinzent - eignet sich gut für eine erste Wiederentdeckung dieses 1939 an Tuberkulose gestorbenen Schriftstellers, der auf dem Waldfriedhof Wilhelmshorst beigesetzt wurde. Dabei muss der Leser ja nicht das Hauptaugenmerk auf Typografie und Gestaltung legen. Denn beides ist gewiss steigerungsfähig.

Martin Stefke, Märkische Allgemeine Zeitung, 17.03.2007


Das druckfrische Köppen-Lesebuch vereint, ebenso wie die Broschüre "Einen Tag lang nicht töten", die Köppen-Gedichte publizierte, Teile des Köppen-Werkes mit Informationen über den 1893 in Genthin geborenen Dichter, Rundfunk-Pionier und Pazifisten ... Das Buch mit dem Titel "Aufzeichnungen" bietet dem Leser aber erstmalig Texte aus allen Schaffensperioden Köppens an und macht Arbeiten des Schriftstellers erstmals zugänglich ... Fast genau so umfangreich wie der Text-Teil, ebenfalls mit Fotos und Dokumenten illustriert, ist der zweite Teil des Buches, "Zu Köppen", ausgefallen ...

Steffen Reichel, Volksstimme, 10.01.2007


Edlef Köppen erlebte zwar nur eine der beiden deutschen Diktaturen, aber er durchlitt bereits vor der Machtergreifung Adolf Hitlers agressive politische Diffamierung und den Verlust seiner beruflichen einflußreichen Position als Leiter der Literarischen Abteilung der Funk-Stunde am Berliner Rundfunk. Köppen, der 1933 mit Frau und Tochter von Potsdam nach Wilhelmshorst (Friedensplatz) in sein eignes Siedlungshaus gezogen war, kannte seit seiner Zeit als "Hersteller" und auch als Lektor beim Verlag Gustav Kiepenheuer (Potsdam) nicht nur die damalige literarische Welt Berlins, sondern war auch selbst im geistigen Berlin als Autor bekannt. Von ihm erschien 1930 der Roman "Heeresbericht", eine auf nationalistische Heldenverehrung und Hurra-Patriotismus keine Rücksicht nehmende Darstellung des Ersten Weltkrieges. Zwar wurde diese Darstellung, die weitgehend auf eigener bitterer Erfahrung des 1914 noch begeisterten Kriegsfreiwilligen Köppen beruhte, weniger populär als Erich Maria Remarques bekannt gewordenes Werk "Im Westen nichts Neues" (1929), aber nach literarischen Maßstäben beurteilt erscheint der "Heeresbericht" als stilistisch packender und damit einer erschreckenden Erlebniswelt der sich gegenseitig mordenden Kulturnationen Europas nahe. Köppen verstand es nicht nur die psychologisch glaubwürdige Entwicklung eines jungen Soldaten zum Reserveleutnant, mit Eisernem Kreuz zweiter und erster Klasse ausgezeichnet, nachzuzeichnen, sondern auch selbst nach heutigem Eindruck einen "modernen" Roman zu gestalten. Köppen integrierte in die Erlebnisse des Soldaten Reisiger im Kampf und in der Etappe neben zeitgenössischen Dokumenten der Obersten Heeresleitung auch Zensurbestimmungen für Kriegsberichte, Zeitungsartikel, Vorschriften und Befehle, sogar Annoncen. Das Echo der literarischen Kritik war überwiegend positiv, etwa das von Gottfried Benn, der Köppen vor Angriffen beschränkter Nationalisten in Schutz nahm ... Der Roman (2. Auflage 1932) wurde noch im gleichen Jahr verboten und zwei Jahre später "auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schütze des deutschen Volkes" beschlagnahmt und eingezogen. Seit 1938 fand man ihn auf der "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" wieder. 1976 erschien ein Nachdruck der 1. Auflage des "Heeresberichts" in Kronberg/Ts., 1979 eine Neuauflage bei Rowohlt in Reinbek bei Hamburg, und 1982 kam es zu einer Neuauflage des Romans in der DDR, im Verlag der Nation. Groß und nachhaltig war das Echo auf diese Wiederbelebung eines standhaften und in seiner schriftstellerischen Bedeutung noch längst nicht allgemein anerkannten Autors allerdings nicht.
Daher ist es verdienstvoll, daß der Märkische Verlag Wilhelmshorst nun seine seit 1998 erfolgte Ankündigung der Herausgabe eines "Lesebuches" von Edlef Köppen unter dem Titel "Aufzeichnungen" realisiert hat. Es umfaßt eine Auswahl aus Köppens literarischem Gesamtwerk sowie Beiträge der wissenschaftlichen Forschung, vor allem die der Germanistin und Herausgeberin Jutta Vinzent und auch Beiträge des ersten Nachlassverwalters Siegmund Kopitzki, der Köppens Witwe noch gut kannte, die 1956 Wilhelmshorst in Richtung Süddeutschland verlassen hatte. Auch wird Köppen als ambitiöser, aber leider nicht eben erfolgreicher Verleger vorgestellt. Dazu kommen Untersuchungen zum Briefwechsel Köppens sowie zu Freundschaft und Distance zum Schriftsteller Hermann Kasack, mit dem Köppen in Potsdam aufs Gymnasium gegangen war und mit dem er in München zeitweise studierte.
Der Verleger äußerte sich anläßlich des Escheinens: Verspätungen haben manchmal durchaus Wert, wenn man dadurch neue Quellen bieten kann. Vor allem erfolgt in der Publikation eine wissenschaftliche Würdigung Köppens. Er selbst hat einen Aufsatz zum Buch, das in der Reihe der Wilhelmshorster Biographien erscheint, unter dem Titel "Köppen und Wilhelmshorst" beigetragen. Auf dem Friedhof in Wilhelmshorst befindet sich der Erinnerungsstein an den 1893 in Genthin geborenen und in einer Lungenheilanstalt bei Gießen verstorbenen und 1939 hier beigesetzten Edlef Köppen, ein Schriftsteller, an den man nicht nur erinnern muß, sondern den man auch offiziell ehren sollte.

Wilhelm Ziehr, Märkischer Bogen 2007, Januarheft


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