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 Der Farbton der Briefumschläge ist stets mit Grau vermischt. Billiges,
 holziges Papier in grau, graugrün, graublau. Trostlos und grau, wie die
 darin enthaltenen Blätter, wie der Inhalt der transportierten Briefe,
 trostlos wie die Umgebung, in der sie geschrieben wurden. Zur Sicherheit, damit
 jeder von den ›zuständigen Organen‹ unterschlagene Brief
 identifiziert werden konnte, sind sie von eins bis achtunddreißig
 durchnumeriert, alle mit Ninas Anschrift, schmucklos, individuell nur durch die
 gleichbleibende Handschrift. Absender Alex Jünemann, wohnhaft Postfach Nummer Vierundzwanzig. Oder
 Zweihundertzweiundzwanzig Schrägstrich Römisch Drei In Klammern Zwei:
 Sammeladresse, die dem Begriff ›Wohnhaft‹ äußerst nahe
 kam. Für zwanzig Pfennig Briefmarken mit den unentwegt gleichen Motiven:
 entweder zwei grüne Zehner, Palast der Republik, oder eine rote Zwanziger,
 Leninplatz mit Lenindenkmal vor Neubauten, Berlin, Hauptstadt der DDR. Die
 Poststempel variieren stärker, beinahe ein Bild der Vielfalt, der rasanten
 Veränderung, des unaufhaltsamen Fortschritts: Von ›DDR 35 -
 Für Frieden und Sozialismus!‹ über ›Kulturpark Berlin -
 Immer ein Erlebnis!‹ und ›Bargeldlose Zahlung - Rationellste
 Zahlung!‹ bis zum auf alle Cottbuser Briefe gestempelten ›Mit
 einer Lebensversicherung ins Jahr 2000!‹
 Damals, 1984, war das sicher sehr fürsorglich und weitblickend, denn
 fünf Jahre später gab es diesen Staat nicht mehr. Der hatte
 versäumt, eine solche Versicherung, die er seinen Bürgern
 wärmstens anempfahl, für sich selbst abzuschließen!
 ***
 Gegen halb zehn am Vormittag, die Sonne brannte schon heiß auf die
 Dächer im Hinterhof, klopfte es. Eine Klingel besaß ich nicht,
 schlief noch tief und selig, Nina war eben aus dem Haus. Kam sie zurück,
 hatte sie, übernächtigt, wie sie war, etwas vergessen? Unwillig
 erhob ich mich, dachte nur ans Weiterschlafen, keine Lust die Augen dem
 gleißenden Licht auszusetzen. Ging mit schläfrigem Blick zur
 Tür, rasch noch einen Schluck Kamillentee gegen den widerwärtigen
 Geschmack im Mund, noch widerwärtiger als der Geschmack, der schon im Mund
 brannte. Wer erwacht gern vorzeitig am Morgen solcher Nächte, ausgezehrt
 von Alkohol und Ekstase.
 Ich warf den Morgenmantel über, öffnete die innere Tür mit einem
 Foto von Herbert Roth plus seiner Todesannonce - ein makaberer Scherz, aber wir
 haßten diese Art Heimatidylle, Rennsteigscheiße, Volksmusik; jeden
 Begriff, der mit Volk begann, weil er eine unwahre Eröffnung darstellt,
 eine glatte Lüge. Das Wort Volk wird nur noch zur Verdummung vorgesetzt.
 Als ich die zweite, äußere Tür öffnete, standen zwei Herren
 davor. Ich war auf einen Schlag hellwach und bei klarem Bewußtsein und
 ich weiß nicht, in welche allerkleinste Teilchen man die Zeit zerlegen
 kann, ich brauchte nicht einmal den winzigsten Bruchteil, um zu begreifen, wer
 SIE waren, was SIE wollten, in wessen Auftrag SIE handelten. Kurz gesagt, alles
 war schlagartig klar, die warme Sommerzeit zu Ende, und es begann sibirische
 Kälte, sofort, um neun Uhr dreißig am neunten Juli vierundachtzig,
 Haus Nummer sechs, Hinterhof, zweite Etage.
 Was nicht klar war, war das ›Wie‹, war das ›Wie lange‹
 und ob sie wirklich ›Ernst‹ machen würden, ob sie mich
 erschrecken, mir einen Tag, den Urlaub, ein Jahr, das ganze Leben, meine ganze
 Existenz zerstören und vernichten würden.
 Alles andere war klar, die Abläufe, die Konsequenzen, erbarmungslos wie
 eine gewaltige Mühle, die, einmal in Bewegung gebracht, menschliche Wesen
 ohne menschliches Empfinden zu Staub pulverisierte, beinahe spurlos, beinahe
 geräuschlos.
 Wer waren die, die da vor der Tür standen? Die Greifer, junge Kerle,
 durchtrainiert, immer wie auf dem Sprung. Einer mit Erfahrung, der den Dialog
 führte, der andere bereit, im Notfall Drecksarbeit zu verrichten, brutale
 Gewalt anzuwenden. In meinem Fall nicht notwendig, der ich halbnackt und
 verschlafen vor ihnen stand, vor diesen völlig vergessenen Gesichtern.
 Aber jedes Detail ihrer Kleidung, Brillen, Frisuren, Körperhaltung
 erzählte, wer sie waren, woher sie kamen, was sie wollten. Schlechte
 Tarnung war ihr Markenzeichen. Ich stand fassungslos, versunken ins eigene
 Entsetzen, dachte fortwährend: "Jetzt sind sie da", "jetzt
 geht es los", "jetzt ist alles vorbei." Die Sekunden gerannen
 zur Ewigkeit, ich wollte nicht glauben, was ich sah, glaubte es aber zu kennen,
 überlegte einen Augenblick, einfach die Tür zuzuschmeißen oder
 in die Küche zu flitzen, um mich dort einzuschließen. Die innere
 Dramatik dieser Szene war durch nichts zu übertreffen, obwohl sich jeder
 der Beteiligten im vorgegebenen Rahmen ›normal‹ benahm.
 ***
 Nina! Plötzlich bemerkte ich in all der Aufregung, Nina vergessen zu haben.
 Sie mußte wissen, wo ich war, irgend jemand mußte das wissen. Ich
 hatte Angst, sie ließen mich einfach verschwinden, dachte nicht
 darüber nach, wie das geschehen konnte. Es gab nur die Angst, spurlos zu
 verschwinden, warum und wieso auch immer, also bat ich, einen Zettel schreiben
 zu dürfen. Ein letztes Mal schrieb ich, wie mir eigenartigerweise klar
 wurde, an meinem alten, in der Werkstatt meines Onkels selbst
 zusammengezimmerten Schreibtisch, schrieb, wie ich dort immer schrieb, jetzt
 mit würgender Wehmut, von den beiden, die mich holten, mißtrauisch
 beäugt, einen Zettel für Nina. Aber was schreibt man in solchen
 Momenten?
 Die Tatsachen: Bin von der Stasi abgeholt.
 Die Ungewißheit: Ich weiß nicht, wie lange es dauert.
 Die Hoffnung: Bitte sei da.
 Gut sichtbar auf dem Schreibtisch plaziert, sie mußte ihn sehen, wenn sie
 zurückkam.
 ***
 Die Verhaftung erfolgte einen Tag später. Der Haftrichter, aalglatt,
 stellte keine Fragen, unterzeichnete einfach ihre Version, akzeptierte ihre
 Auffassung, ich sei gefährlich für die öffentliche Ordnung,
 müsse demzufolge in Haft, außerdem Fluchtgefahr bei zu erwartender
 Zuchthausstrafe. Auf dem Weg zum Haftrichter mahnende Worte des Vernehmers:
 "Schwafeln 'se nich, antwort'n 'se präzise auf präzise Fragen, der
 (er meinte den Haftrichter) hat auch noch was anderes zu tun." Rührend in
 seiner Sorge um das außerordentliche Arbeitspensum des Haftrichters,
 erschien er gemeinsam mit mir vor der richterlichen Autorität, um unsere
 gegensätzlichen Anliegen vorzutragen. Wie eine Vermählung, denn die
 Verhaftung bindet den Verhafteten an seinen Vernehmer. Eine Ehe, geschlossen in
 dieser glutlosen Hölle aus erkalteter Asche, an der man erstickte, die
 einen begrub, in der man, gefüllt mit Asche, zu Asche wurde. Die
 präzisen Fragen waren so präzise nicht, sie wiederholten mit den
 gleichen Worten die gleichen Unterstellungen und Behauptungen des Vernehmers.
 Ich hatte den Eindruck, der eine spräche aus dem Bauch des anderen, war
 fasziniert von dieser Übereinstimmung, bei der meine Fragen und Zweifel
 selbstverständlich fehl am Platze waren, ich könne ja Haftbeschwerde
 einlegen.
 ***
 In den Nachtschichten war das Essen besser als sonst, da es nicht im Zuchthaus
 gekocht wurde. Die Küche schob keine Nachtschichten, es kam aus der
 Kantine des Betriebes, offiziell das gleiche wie das der Zivilangestellten,
 nur daß bei uns rätselhafterweise die Fleischrationen
 vollständig verschwanden. Ansonsten war das Essen ein Grauen,
 Gourmetküche hatte keiner erwartet, warum aber fauliges Fleisch und
 Gemüse, stinkende Blutwurst, stinkende Butter, wurmstichige Sülze,
 ›Sachsenspeck‹ genannt? Als wir davon genug hatten, traten wir
 eines Tages ohne vorherige Absprache in den Hungerstreik. Auslöser war
 wieder einmal eine große Blechschüssel knorpeliger, mit haariger
 Schwarte durchsetzter Sachsenspeck, den vierten Tag hintereinander.
Großzügig durften wir essen, soviel wir vertrugen, soviel unser Ekel
 erlaubte, denn nicht einmal Hunger half hierbei. Jetzt wimmelte dieser
 grünlichgraue Haufen von fetten weißen Maden - er bewegte sich
 sozusagen von selbst aus der Schüssel. Wir hatten endgültig genug,
 saßen schweigend im Speisesaal. Eine bedrohliche, aufgeladene Situation:
 kein Laut, kein Klappern von Besteck. Einhundert Häftlinge verweigern
 schweigend dieses Essen.
 Also Ende der Essenszeit? "Antreten zum Abmarsch!"
 Keiner rührt sich.
 "In fünf Minuten wird hier gegessen oder zum Einschluß in die
 Zellen angetreten!"
 Fünf Minuten vergehen wie fünf Ewigkeiten, nichts geschieht.
 Verstärkung mit gezückten Knüppeln, Tränengaspistolen.
 Totenstille.
 "Alles angetreten, aber bißchen dalli!"
 Einer erhebt sich, Ingenieur aus Cottbus, war am ersten Mai mit Deutschlandfahne
 am Trabi durch die Stadt gesaust, politisches Vergehen, wollte seine Ausreise
 erzwingen, ein Jahr Gefängnis. Steht auf, geht nach vorn zur Schüssel
 mit dem wurmigen Sachsenspeck, nimmt ein Stück, riecht daran: "Is
 doch gut! Riecht nich' schlecht!" Will auf seinen Platz, bereit, um des
 lieben Friedens willen Würmer im Essen zu ertragen. Stolpert über
 einen ausgestreckten Fuß, fällt der Länge nach hin. Fängt
 sich fallend in einer ausgestreckten Faust. Da bricht eine Riesenschlägerei
 los, entlädt sich wie ein nach langen heißen Tagen längst
 fälliges, schwer aufgestautes Gewitter mit grellen zuckenden Blitzen,
 krachendem Donner. Alle fallen keuchend übereinander her. Ich bleibe auf
 meinem Platz, igel mich zusammen vor den Schlägen, die unaufhörlich
 und heftig wie Platzregen auf meinen Rücken, meinen Schädel
 niederprasseln. Ein Stoß in die Seite, ich stürze zu Boden, Tritte
 gegen die Nieren. Ich muß aufstehen, unbedingt aufstehen, sehe Frosch,
 endlich die passende Gelegenheit, ihm eins in die Fresse zu hauen, bekomme
 einen Schlag mit dem Knüppel gegen den Hinterkopf. Stürze erneut,
 klammere mich im Fallen an das Tuch einer Uniform, die ich mit zu Boden
 reiße. Gellender Pfiff einer Trillerpfeife. Augenblicklich sortieren sich
 die Häftlinge aus dem Gewirr auf ihre Plätze, die Polizisten im Kreis
 drumherum wie vor Beginn der Schlägerei. Jeder auf seinem Platz, wissend,
 wo er hingehört, derangiert, manche hatten aufgesprungene Lippen, blutige
 Nasen, Knöpfe fehlten an der Kleidung, herausgerissene Fetzen. Nur die
 Blechschüssel mit dem Corpus delicti, dem Sachsenspeck, stand noch immer
 ungerührt an ihrem Platz. Blick zum Eingang, wo der Pfiff hergekommen war:
 irgendein hohes Tier, noch nie gesehen. Läßt sich kurz von seinen
 Leuten unterrichten, geht zur Schüssel, schaut angewidert hinein, will mit
 spitzen Fingern ein Stück herausnehmen, verzichtet vorsichtshalber darauf.
 Befiehlt - scheinbar fällt ihm nichts Besseres ein -
 "Weitermachen!" und geht zackig hinaus.
 Was ›Weitermachen‹? Weiter prügeln etwa?
 Langsam, ganz vorsichtig, wie um die Polizei nicht aufzuschrecken, gehen die
 ersten Häftlinge zur Tür, treten an zum Abmarsch, zögernd folgen
 die nächsten, die Polizisten stecken die Knüppel weg. Der Ingenieur
 entschuldigt sich die ganze Zeit bei allen mit blutender Nase, aufgesprungener
 Lippe. Wir sehen durch ihn hindurch, für uns war er tot, nicht mehr
 anwesend. So einfach, so brutal war das, plötzlich war einer durchsichtig
 geworden, ein Glasmännlein, nicht mehr, nicht weniger. Nächsten
 Mittag gab es fette, knusprige Schnitzel, ausnahmsweise schmeckten die sogar.
 ***
 Eine Woche danach, Donnerstag vorm zweiten Advent der Befehl: "Sachen
 packen! Abtransport!" In der rechten Hand ein großes Paket, ich
 weiß nicht mehr, was darin war und wessen Sachen das waren, und links mit
 Handschellen aneinander gefesselt, bestiegen wir im Gefängnishof einen
 vergitterten LKW, nahmen auf langen Bänken Platz. Die Türen wurden
 zugeschlagen, und los ging die Fahrt, vorbei am Weihnachtsmarkt, die ganze
 Stadt festlich erleuchtet. Mein an mich geketteter Nachbar weinte und schlief
 immer wieder ein, wobei die gefesselte Hand von seinem Oberschenkel herabfiel,
 meine Hand mitriß, so daß die Handschellen meine Handgelenke blutig
 scheuerten. Weshalb ich ihm immer wieder wütend gegen das Schienbein trat.
 Ich haßte ihn, weil ich an ihn gekettet war, wofür er nichts konnte,
 und für sein Weinen und Einschlafen, das mir an den Gelenken Blut und
 Schmerzen verursachte. Mir gegenüber ein älterer Herr, der mich
 immerzu fixierte und jedes Mal, wenn er meinen haßerfüllten Blick
 auffing, nett zurücklächelte. Als ich ihn fragte, ob er was von mir
 wolle, sagte er, daß er mich vom Theater her kenne und als Schauspieler
 schätze und ob ich denn jetzt vom Theater weg sei, viele von den guten
 seien schließlich schon gegangen. Er selber müsse wegen
 Unterschlagung für drei Jahre ins Gefängnis, ginge also lange nicht
 mehr ins Theater, was ihm sehr fehlen werde.
 Angewidert von der Erinnerung an ein anderes Leben, an das Leben eines anderen,
 das ich niemals geführt hatte, schwieg ich verbissen und trat dem an mich
 Gefesselten mit solcher Wut ans Schienbein, daß er jammervoll aufschrie
 und derart hochschreckte, daß das nackte Metall der Handschellen die
 Knochen meiner Gelenke erreichte. Worauf ich nun meinerseits vor Schmerz
 aufschrie, was todsicher zu einer Prügelei geführt hätte, wenn
 mein Nachbar weniger erschöpft gewesen wäre. Den Rest der Fahrt
 stierte ich haßerfüllt vor mich hin. Unter meinen Gefährten war
 ein Gespräch über die Vorzüge und Nachteile des Theaters und der
 Schauspielkunst entstanden, das mich absolut nicht interessierte, an dem ich
 unter keinen Umständen beteiligt werden wollte, in mir waren nur Haß
 und nackte kalte Wut.
 Vom LKW wurden wir in einen Eisenbahnwagen verladen, der einem Nachtreisezug
 angehängt wurde. So etwa wie ein Schlafwagen mit Abteilen, nur daß
 die Abteile Zellen waren, deren Türen kleine Fenster hatten, durch die wir
 registriert, sortiert und wie Vieh eingeteilt wurden. Bei jeder Station, ob
 Arbeitslager, ob Gefängnis, wurde ein sorgfältig vorbereiteter
 Sträflingskonvoi entladen, rechte Hand schweres Gepäck, links mit
 Handschellen aneinandergekettet. Eskortiert von Hundestaffeln und Polizei mit
 entsicherter MPi. Meine Fahrt dauerte etwa drei Stunden, in denen wir, einzeln
 von Zelle zu Zelle geschlossen, immer anders gemischt wurden, bis alles seine
 Ordnung hatte. In jeder Zelle für zehn Minuten ein anderes Schicksal, eine
 andere Geschichte - wie ein Theater, worin statt des Wechsels der Szenenbilder
 die Zuschauer die Plätze wechselten und die Zuschauer als Akteur ins
 eigene Drama. Das Stück, das gegeben wurde, blieb eine Nacht lang das
 gleiche: witzige und weniger witzige Ganoven und Gauner, gescheiterte
 Existenzen, fürchterliche Tragödien. Die Musik war das Rattern der
 Räder, waren die Stöße der Schienen, das Quietschen der
 Bremsen, die Pfiffe der Stationsvorsteher, das Gebell der Hunde, die Kommandos
 der Posten. Die Satzbezeichnungen glichen den Namen von Gefängnissen und
 Arbeitslagern. Ein vielstimmiges, ein grauenhaftes Orchester, dirigiert von
 einem großen, hageren Polizisten in schwarzer Uniform: Bernhard Minetti
 als Wachtmeister mit Totenschädel und langen weißen
 Haarbüscheln. Eine Gestalt, vorstellbar nur in diesem Waggon, im
 weißen Schein der Neonlampen, nicht außerhalb, nicht ohne diesen
 Zug. Die moderne Version eines antiken Dramas, ›Charon‹, der
 Wächter am Tor zur Unterwelt. Hierher war Orpheus Eurydike gefolgt, durch
 solch ein Tor, vorbei an diesem Wächter, ins Reich der Toten. Nur war
 Orpheus freiwillig hierher gegangen und aus Liebe. Der Zug hielt erneut, wir
 stiegen aus, wurden über den Bahnhof eskortiert, an erleuchteten Abteilen
 vorbei, aus denen entsetzte, erschrockene Blicke dem Zug der Gefangenen
 folgten, die wie zur Drohung vorgeführt, gedemütigt wurden, der
 eigenen Scham ausgesetzt, wohlwissend um die eigene Wirkung. Nie habe ich
 größere Ohnmacht, größeren Haß, größere
 Scham empfunden, als in dieser Strafgefangenenkolonne über den Bahnhof in
 Cottbus. Diesen Troß verzeihe ich niemandem.
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