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Heidi Jäger, Potsdamer Neueste NachrichtenLothar Krone, Märkische Allgemeine Zeitung
 
Schon der Titel lässt auf eine Heldin schließen,
 die keine Angst hatte, sich mit der Obrigkeit anzulegen. Und fürwahr, das
 Bild, das Jeanette Toussaint von Anni von Gottberg zeichnet, zeugt von der
 konsequenten Haltung einer Persönlichkeit, die maßgeblich an der
 Opposition gegen die nationalsozialistische Gleichschaltung der evangelischen
 Kirche beteiligt war. “Ja, den ‘Unfrieden’ bringe ich in
 Potsdam, der ist vielen unbequem, Menschen können mich aber nicht
 verletzen, ich will ja nur meinen Weg im Gehorsam gehen – weiter
 nichts”, schrieb sie in einem Brief an dem damaligen Vikar der
 Pfingstkirchengemeinde, Albrecht Schönherr. Für Anni von Gottberg,
 die preußische Leutnantstochter, gab es nur Jesus Christus, dem sie
 folgte, und keinem “gottgesandten Führer” namens Hitler.Die auf die Zeit des Nationalsozialismus spezialisierte Forscherin traf sich
 aber auch mit der Witwe von Albrecht Schönherr, der mit Anni von Gottberg
 lange Zeit korrespondiert hatte. Diese Briefe an ihn – die
 Rückantworten sind nicht mehr vorhanden – waren prägend
 für das Buch. Schönherr hatte die Bekennende Kirche gemeinsam mit
 Anni von Gottberg in Potsdam aufgebaut, bevor er nach Berlin ging. In einem
 Aufsatz schrieb der spätere Altbischof über Anni von Gottberg:
 “Wo und wie sie zu einer so intensiven Verbindung zur Kirche und zu einer
 so großen Liebe zur Bekennenden Kirche kam, ist nicht bekannt. Wer ihr
 in den Jahren des Kirchenkampfes begegnete, konnte nur staunen über dies
 glühende Herz, über diesen unglaublichen Mut, über diese
 Tatkraft, mit der sie oft genug an ihre Grenzen stieß.” Und er
 beschreibt auch, wie sie sich “schwere Sorgen wegen der
 Überführung der evangelischen Jugendvereine in die
 Hitlerjugend” machte.
 Sie zitiert in ihrem Buch aus rund 25 Briefen und Karten, die Anni von Gottberg
 an Albrecht Schönherr schrieb, und die eine Frau zeichnen, die den
 Pfarrern aufs Dach stieg, wenn sie keine klare gottestreue Linie verfolgten,
 sich aber auch für sie einsetzte, wenn Ungerechtigkeit im Spiel war. Sie
 sammelte Kollekten für die Bekennende Kirche, obwohl es verboten war und
 wurde 1937 für kurze Zeit inhaftiert mit dem Vorwurf, ein Schreiben der
 Bekennenden Kirche vervielfältigt zu haben. Gleich nach ihrer Freilassung
 organisierte sie trotz des wachsamen Auges der Gestapo wiederum ein
 Bekenntnisabend und sammelte erneut eine Kollekte, die der Ausbildung junger
 Theologen, der Bezahlung von Vorträgen, der Raummiete und
 Pfarrerbesoldung dienten.
 Heidi Jäger, Potsdamer Neueste Nachrichten, 08.04.2011 
 
Selten war wohl ein Stück Geschichtsaufarbeitung so einhellig vom
 Wohlwollen über die politischen Lagergrenzen hinaus begleitet wie im Fall
 der Biografie, die Jeanette Toussaint über Anni von Gottberg geschrieben
 hat. Auch erfuhren die Zuhörer von der Bereitschaft gleich zweier
 Beteiligter, die im Märkischen Verlag in Wilhelmshorst erschienene
 Publikation aus der Reihe “Potsdamer Köpfe” mit einer
 Lesereise bekannt zu machen, von weiteren Unterstützern und einer
 Kirchenkollekte. Fotos von der Familie und eine knappe Darstellung von
 Gottbergs komplizierter eigenen Lebenssituation folgen Passagen, in denen die
 Spaltung der Evangelischen Kirche beschrieben ist. Dabei tobte auch in Potsdam
 ein erbitterter innerkirchlicher Kampf zwischen den von den Nazis initiierten
 “Deutschen Christen”, die sich in ihrem Selbstverständnis als
 “SA Jesu Christi” verstanden, die dem Führer dienen
 müsse, und der “Bekennenden Kirche”, die sich als Liste
 “Evangelium und Kirche” formierte. Aus ihrem Glauben an das
 Evangelium zogen diese Bekennenden Christen den Schluss, dass nicht Adolf
 Hitler, sondern einzig Jesus der Erlöser sein kann. Die Schlussdebatte
 zeigte, dass für viele der Anwesenden die Frage nach dem Glauben sowie den
 Motiven von Menschen wie Anni von Gottberg für ihren Widerstand
 rätselhaft blieb. Fürs erste hilft ja vielleicht die genaue
 Lektüre des Buches weiter.
               Lothar Krone, Märkische Allgemeine Zeitung, 14.04.2011 |