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Monika Nakath, Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und OstdeutschlandsJörg Raach, Berliner Kulturbrief
 Dieter Weirauch Berliner Morgenpost
 rob, MAZ
 Erhart Hohenstein, PNN
 
Katie Hafner untersucht in ihrer Publikation die Geschichte
 der Villa Schöningen, die sich in Potsdam direkt neben der Glienicker
 Brücke befindet. Relativ bekannt ist die Tatsache, daß das
 Gebäude von Ludwig Persius für den Hofmarschall des Prinzen Carl von
 Preußen, Kurd Wolfgang von Schöning entworfen wurde. Weitgehend
 unbekannt ist jedoch, daß sich die Villa seit 1882 im Besitz von zwei
 Generationen der jüdischen Bankiersfamilie Wallich befand. In der
 Nachkriegszeit erfuhr das Gebäude verschiedene Nutzungen.Die Autorin betrachtet das Schicksal der jeweiligen Bewohner der Villa
 Schöningen und beleuchtet hierbei die politischen und sozialen
 Verhältnisse in verschiedenen Epochen deutscher bzw.
 deutsch-jüdischer Geschichte. Katie Hafner widmet sich hierbei in
 besonderem Maße der Familie Wallich. Bei Hermann Wallich handelt es sich
 um einen Mitbegründer der Deutschen Bank, der seit dem Jahr 1894 über
 einen langen Zeitraum als Aufsichtsrat tätig war. Dessen Sohn Paul,
 ebenfalls Bankier und Mitinhaber des Frankfurter Bankhauses J. Dreyfuss &
 Co., übernahm die Villa von seinem Vater.
 Hervorzuheben ist das Kapitel über die Familie von Paul Wallich…
 Wallich, der sich nach Errichtung der NS-Diktatur nicht zur Emigration
 entschließen konnte, hielt den psychischen Belastungen der Verfolgung
 nicht stand und wählte am 11. November 1938 aus Angst vor einer Verhaftung
 den Freitod. Er hinterließ seiner Frau Hildegard einen bewegenden
 Abschiedsbrief, der in dem Band erstmalig veröffentlicht wird.
 Ein Personenregister erleichtert den Zugriff. In dem Band werden verschiedene
 Fotos erstmalig veröffentlicht.
 Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die überarbeitete
 Fassung eines erstmals 1995 in den USA erschienenen Bandes. Dementsprechend
 verwundert die an verschiedenen Stellen stark durchschimmernde
 "amerikanische Sicht" auf die Thematik kaum. Obwohl Hafner sich
 nicht ausdrücklich an ein wissenschaftliches Publikum wendet, dürften
 ihre Ausführungen auch hier im Hinblick auf sozialhistorische Forschungen
 Interesse finden.
 Monika Nakath,Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, 2005
 
 
Dieses Buch der Deutschland-Korrespondentin wichtiger amerikanischer Zeitungen
 fasziniert in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wurde es schon 1995 in den USA
 veröffentlicht, bietet deshalb einen interessanten Blick auf das Bild, das
 von der deutschen Entwicklung nach 1990 im Ausland vermittelt wird. Zum andern
 ist es nicht kühl distanziert, wissenschaftlich, geschrieben, sondern so,
 dass der Leser am Schicksal der Bewohner dieser Villa an der Glienicker
 Brücke unmittelbar Anteil nimmt. Er wird bei der Lektüre mitgerissen
 und erfährt dabei viel zur deutsch-jüdischen Geschichte im 19. und
 20. Jahrhundert.
               Jörg Raach, Berliner Kulturbrief, März/April 2005 
 
In der Umgebung der Villa Schöningen wurde Geschichte geschrieben. Die
 Glienicker Brücke, bekannt durch den Austausch von Spionen während
 des Kalten Krieges, befindet sich nur einen Steinwurf entfernt. Aber auch in
 der von Ludwig Persius für Kurd Wolfgang von Schöning, dem
 Hofmarschall des Prinzen Carl von Preußen, zwischen 1843 und 1845
 erbauten Villa, wurde Geschichte geschrieben. So verfaßte der
 Nationalökonom Paul Wallich dort sein Hauptwerk über die Berliner
 Großkaufleute und Kapitalisten.Bis Kriegsende 1945 war die Villa im Besitz der Familie Wallich. Paul Wallich,
 dessen Vater einer der Gründer der Deutschen Bank war, verübte nach
 dem Novemberpogrom 1938 in Köln Selbstmord. Große Teile seiner
 berühmten Bibliothek befinden sich heute in der Yale Universität im
 amerikanischen New Haven.
 Nun liegt über das Haus an der Brücke und die Bewohner ein eigener
 Band vor, geschrieben von der Amerikanerin Katie Hafner. Die Journalistin, die
 unter anderen für die New York Times arbeitet, erwähnt zwar die
 landschaftsprägende Bedeutung der Villa, stellt aber die Bewohner des
 heute heruntergekommen wirkenden Hauses in den Mittelpunkt ihres Buches. Sie
 befragte die Nachkommen der Familie Wallich ebenso wie die Mitarbeiter des von
 1951 bis zur Wende darin beheimateten Kinder-Wochenheimes. So manche Episode
 dabei regt zum Schmunzeln an. Viele Bilder wurden erstmalig veröffentlicht.
 Dieter Weirauch, Berliner Morgenpost, 13.02.2005 
 
Die Vorgeschichte des nun aufgelegten Buches reicht bis in die Nachwendezeit
 zurück: Auf die am heißesten Öhr des Kalten Krieges gelegene
 Persius-Villa wurde 1991 die amerikanische Journalistin Katie Hafner neugierig.Für das "New York Times Magazin" schrieb sie in jenem Jahr einen
 Artikel über die schmerzhafte Auseinandersetzung zwischen den Nachkommen
 vertriebener jüdischer Eigentümer und den damaligen Bewohnern, den
 Erzieherinnen des bis 1992 dort untergebrachten Kinderwohnheims. 1995 entstand
 daraus das Buch mit dem Titel "The House at the Bridge". Die
 Potsdamerin Marianne Schiller war so fasziniert, dass sie Verleger Klaus-Peter
 Anders schließlich überzeugte, eine Übersetzung zu wagen. Ein
 schwieriges Unterfangen, wie der Verleger gestern schmunzelnd sagte. Denn
 Schiller hörte nicht auf, immer noch ein neues Dokument aufzutreiben. Nach
 der Präsentation am Montag dürfte noch die eine oder andere
 Geschichte dazu gekommen sein: Eigens aus Schleswig-Holstein angereist war
 "Mama Kempa". "Wer war denn damals alles dabei", wandte
 sich die 83-Jährige an das Publikum. Ein paar zögerliche Arme gehen
 nach oben. Harald Hülsen (56) steht auf, stellt sich vor: "Komm mal
 her mein Junge", fordert die Heimleiterin a.D. resolut ihr Heimkind nach
 vorn. Gemeinsam suchen sie auf dem Foto von 1952 nach den anderen. Mehr als 30
 Jahre war Kempa Leiterin. Der 13. August 1961 zerteilte ihr Leben in eine Zeit
 davor und danach: Problemlose Spaziergänge über die Brücke bis
 zu jenem Sonntag, dann Panzer im Garten und Absperrungen. Danach war das Heim
 nur noch mit Passierschein erreichbar. Die Grenzer konnten hart und
 unerbittlich sein, berichtet einer. Trotzdem, das Verhältnis zu den
 jungen Soldaten sei gut gewesen: "Das waren ja alles meine Jungs."
 rob, maz, 22.12.2004 
 
Amerikanische Interessenten kennen das Buch schon seit 1995. Nun, fast ein
 Jahrzehnt später, legt der Märkische Verlag Wilhelmshorst Katie
 Hafners "Das Haus an der Brücke" über die Villa
 Schöningen in deutscher Übersetzung vor.Die Journalistin, die unter anderem für die New York Times schreibt,
 erwähnt die landschaftsprägende Bedeutung der 1843 - 1845 durch
 Ludwig Persius errichteten Villa, lässt sich aber nicht auf eine
 längere kunsthistorische Betrachtung ein. Auf den Garten geht sie etwas
 ausführlicher ein, denn der rückte durch den jungen
 Landschaftsarchitekten Dirk Heydemann, der ihn 1991 in seiner Diplomarbeit dem
 Mitarbeiter Lennes, Gustav Meyer, zuordnen konnte, in den Blickpunkt der
 Fachleute.
 Katie Hafner interessieren vornehmlich die Bewohner des Hauses an der Glienicker
 Brücke, das für den Hofmarschall des Prinzen Carl von Preußen,
 Kurd Wolfgang von Schöning, errichtet worden war. Sowohl die
 Schönings wie auch die Bankerfamilie Wallich, die das Gebäude ab 1878
 zunächst als Sommersitz nutzte, haben Nachkommen hinterlassen, die von der
 Autorin intensiv befragt wurden.
 Ebenso wenig hat Katie Hafner das Personal des ab 1951 in der Villa
 eingerichteten Kinderwochenheims ausgelassen. Im Ergebnis entfernt sie sich oft
 weit von ihrem Gegenstand, folgt den Spuren der in den 30er Jahren als Juden
 aus Deutschland vertriebenen Wallichs bis in die USA, nach Argentinien und
 Südafrika oder taucht mit einer unangepassten Erzieherin in die Potsdamer
 alternative (Musik-)Szene der 80er Jahre ein. Auf diese Weise wird das Buch
 auch zu einer Darstellung des politischen Alltagslebens in der DDR, freilich
 durch die amerikanische Brille und damit manchmal etwas verzerrt gesehen.
 Angeblich aßen wir "eine geschmacklose, schmierige Abart der
 gewohnten deutschen Kost aus vergangenen Jahrzehnten", schreibt die
 Autorin, die immerhin aus dem Mutterland des Fastfood kommt.
 Die bis in sehr persönliche Details führenden Gespräche mit und
 über die Betroffenen, die meist mit vollem Namen genannt werden, gibt
 Katie Hafner unverblümt wieder und zeichnet u.a. von einer Heimleiterin
 und der ersten Bildungsdezernentin der Nachwendezeit recht negative Bilder.
 Auch einige Wallichs, die sich nach der Wende nicht entschließen konnten,
 das Schicksal der rückübertragenen Familienvilla wieder in die
 eigenen Hände zu nehmen, werden kritisch gesehen. Anderererseits gelingt
 Katie Hafner so eine fesselnde, oft anrührende Darstellung. Als Beispiel
 dafür steht Paul Wallich. Er weigerte sich, seine geliebte deutsche Heimat
 zu verlassen; als ihm die Nazis darin keinen Platz mehr ließen,
 stürzte er sich in Köln von einer Rheinbrücke in den Tod.
 Seitdem scheint ein Fluch über der Villa zu liegen. 1961 geriet sie ins
 Grenzgebiet: Mit angelegtem Gewehr überwachten Scharfschützen der
 Stasi von hier aus den Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke. Seit
 1992 steht das Gebäude leer und verfällt immer weiter. Der
 historische Garten verwilderte, eine wertvolle Skulptur der Athena wurde bei
 einem Diebstahlversuch zerstört.
 Dass der Wallichschen Erbengemeinschaft 1997 doch der Verkauf an ein
 Immobilienbüro gelang, brachte der Villa keinen Segen. Nach wie vor konnte
 kein Nutzer für sie gefunden werden...
 Erhart Hohenstein, Potsdamer Neueste Nachrichten, 29.12.2004 |