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 Grüne Glasscherben
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Welf Grombacher, MAZ
Gerold Paul, PNN
Hanne Landbeck, MAZ

Leben und Schreiben lassen sich bei Lonny Neumann nicht trennen. Literatur ist ihr Leben und durch ihre autobiografischen Notizen ist ihr Leben zu Literatur geworden. Obwohl die Großmutter im uckermärkischen Strasburg immer zu ihr sagte: "Schmökern verdarwt den Charakter!".
Überhaupt die Großmutter. Wie die wohl reagiert hat, als ihre Enkelin, die immer "wat Bäters wan sollte", nach dem Studium erklärte, sie wolle Schriftstellerin werden? Wo sie von frühester Kindheit an doch der alten Frau anvertraut war, weil die wirkliche Mutter sie nicht haben wollte. Nach dem Tod des Vaters konnte diese drei Bälger nicht ernähren und beim neuen Mann war nur Platz für zwei. Lonny Neumann beschreibt diese Jahre eindringlich in ihrer Erzählung "Grüne Glasscherben"

Welf Grombacher, Märkische Allgemeine Zeitung, 28.10.2006


Es dauert schon eine Weile, bis man sich in die verwickelte Sippschaft des Vorkriegskindes Lore hineinliest. Sie hatte gleich zwei Väter wie keinen, wuchs bei den Großeltern nahe Prenzlau auf, und schlug gegenüber ihren drei Schwestern sowieso etwas aus der Art.
Hinter Lores Namen verbirgt sich, oder verbirgt sich eigentlich nicht, Lonny Neumann, welche mit dem soeben erschienenen Buch "Grüne Glasscherben" vieles von dem aufschrieb, was ihr bis zum achtzehnten Lebensjahr 1952 widerfuhr. Vorderhand hat man es mit einer "autobiographischen Erzählung" zu tun. Die letzten Kapitel bemühen sich dann um Anschluss an die Gegenwart. Nun selbst Mutter und Großmutter, verspricht die Potsdamer Autorin ihrer jüngsten Enkelin Rieke eine Fortsetzung dieser "Kindheit im Norden". Große Teile des Manuskriptes entstanden schon in den siebziger Jahren auf der Suche nach Heimat, als Fragen nach dem Woher und Wohin, und so reist die Erzählerin auf den letzten Seiten wenigstens besuchsweise nach dem uckermärkischen Strasburg zurück, wo einstmals alles begann.
Den Stossseufzer "Kriech, großer Gott!" von Oma Johanna ist das erste, was die Fünfjährige an einem Septembertag vernimmt, Krieg mit England. Als "Kind in Schande" lebt sie wohlbehütet und umsorgt bei den geliebten Großeltern, während ihre Mutter Erna mit Stiefvater Henrich eine neue, töchterreiche Familie gründet. Ihren Erzeuger kennt Eleonore nicht, er soll an der Ostfront verschollen sein, doch auch der zweite Vater ist nicht präsent, Kriegsgefangenschaft in "Engelland", wo auch der Liebe Gott wohnen soll. Während nun Opa Drebelow, ein begnadeter Baumhüter und Hausmeister, sein von der Schöngeistigkeit berührtes Hätschelkind nicht gern in "de Weltgeschicht" rumtapsen sieht, tut Johanna alles, damit etwas Besseres aus ihm wird. Sie näht schöne Kleider, sorgt, dass man mit Lore nur Hochdeutsch spricht. Tatsächlich schafft die Einzelgängerin den Schritt in die Oberstufe der Kreisstadt, wird letztlich das, was ihr schon zu Schulzeiten vor Augen stand: Lehrerin.
In diesen Jahren gründete sich die "Einheitspartei", Stalin begann auch im Frankfurt an der Oder seine "Säuberungen". Dazwischen schildert die Schriftstellerin recht lyrische Kindheitserlebnisse, Krieg und die Strasburger Trümmerstadt, die Heimkehr des Stiefvaters mit einem Seesack voll Köstlichkeiten, dank derer er seiner alten Passion nachgehen kann, der einträglichen Gärtnerei. Es gibt Streit zwischen den Generationen, als die Eltern das Kind zurückfordern, Streit auch zwischen dem Eigensinn Lores und "dem Vater", als er sich trotz seiner stets lachenden Augen zum "Tyrann" seiner Familie mausert: Sie sucht ihren eigenen Weg: Vorerst retour zu Oma und Opa.
Dann dreht die Erzählung auf merkwürdige Weise. Anstelle der Großeltern – "kleine, aber anständige Leute" – wird nun Lores Verhältnis zu den alternden Eltern auffallend liebevoll beschrieben, Annäherung und plötzliches Ableben des Stiefvaters, berührende Worte über die hinfällige Mutter.
Aus Lonny Neumanns Text ergibt sich dieser Wandel nicht, man hat gelegentlich den Eindruck, als seien wichtige "Szenen" einfach ausgeblendet worden. Trotz detaillierter und wärmender Beschreibungen fehlt ihm ein innerer Faden, die künstlerische Gestaltung tritt oftmals hinter dem autobiographischen Impetus zurück – das liest sich nicht leicht. Selbst die titelgebenden Glasscherben, mit denen das Kind spielt, auch später noch die Welt durch sie beschaut, sind als "tragendes Motiv" nicht durchgehalten. Leider, möchte man sagen, denn solcherart Erinnerungs-Lektüre dürfte heute – noch und wieder – ihre Leser finden. Vielleicht kann man das mit vielen Familien- und Landschaftsfotos illustrierte Paperback als etwas Vorläufiges verstehen – für den großen Lebensroman der Lonny Neumann von Strasburg nach Strasburg.

Gerold Paul, Potsdamer Neueste Nachrichten, 05.05.2006


Lonny Neumann ist eine Schriftstellerin, die die Stille liebt. Das gilt für ihre bedacht gesetzten Worte ebenso wie für die Landschaft, in der die jetzt beim Märkischen Verlag Wilhelmshorst erschienene Geschichte "Grüne Glasscherben" angesiedelt ist. Die in der Zeit von 1934 bis 1952 spielenden "Lebenslinien" des Mädchens Lore verlaufen in der Stadt Strasburg, wo das Kind meistens bei den Großeltern die entbehrungs-, aber fantasiereiche Zeit verbringt. "Hände wie ein kräftiges Blatt mit vielen Verästelungen", zeigt der Vater, der eigentlich ihr Stiefvater ist. Nach seiner Kriegsgefangenschaft, die er in England verbracht hatte, blickt er auf seine Blätterhände und verspricht mit deren Arbeit neuen Reichtum für die gesamte Familie.
Seine Frau kann es nach all den Entbehrungen, dem Tod des jüngsten Kindes und dem ärmlichen Leben in der Ruinen-Stadt nicht richtig glauben und weint. Meist ist das Kind bei den Großeltern, denn nach dem Willen der Oma, die Platt spricht, soll aus ihr etwas Besseres werden, sie soll auf die Stadtschule gehen. Dafür näht die Großmutter auch immer neue Kleidchen, die das Mädchen nicht mag, außer einem, das aus dem Fallschirmstoff eines verunglückten britischen Soldaten entsteht. Am meisten liebt Lore den Großvater, der je nach Jahreszeit entweder nach Maronen, Maiglöckchen oder nach der Douglasie duftet, die er als Weihnachtsbaum aus dem Wald mitbringt. Genaue Beschreibungen adeln den besten Teil des Buches: so der Geruch des Tabaks, den der Opa selbst anpflanzt und geduldig trocknet, mit Rosenblättern anreichert, damit seine Frau und die Enkelin auch eine Freude an seinem Laster haben. Die Titel gebenden grünen Glasscherben sind dem Mädchen Brenngläser für die Fantasie, wie in einem Kaleidoskop kann sie darin die Fülle der Lebensmöglichkeiten erkennen. Lore ist ein einsames Kind, dessen einzige Freundin Dorothea an Diphterie stirbt, ein Kind, das unter der Armut der Familie leidet, aber immer wieder einen Ausweg in den Welten erahnt, die man ihm in der Schule näher bringt. Am Ende wird plötzlich und scheinbar unmotiviert der Zeithorizont erweitert bis in die neunziger Jahre und das Ende der Eltern beschrieben.
Lonny Neumann selbst ist 1934 in Prenzlau geboren und in Strasburg aufgewachsen, und ihr romanesker Bericht ist stark autobiographisch geprägt. Das Buch ist mit vielen Fotos aus der Zeit illustriert, darunter auch Briefe des Vaters in der altmodischen Schrift, holprige Dorfstraßen, die Bewohner mit Hut und Stock sowie die weißen Wolken am weiten uckermärkischen Himmel. Die Schriftstellerin, die in Leipzig studierte und seit 1978 in Potsdam wohnt, wollte durch diesen persönlich geprägten Text der von Entsiedelung bedrohten Uckermark und ihren Bewohnern ein Denkmal setzen.

Hanne Landbeck, Märkische Allgemeine Zeitung, 06.05.2006


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