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Großvater Ludwig, der ehemalige Schloßgärtner, verwandelte unseren Sägewerkshof in einen blühenden Garten, ich pflegte inzwischen meinen Rittersporn. Fortan hieß es, darin auch anzubauen, was wir zum Unterhalt unseres Lebens brauchten. Schon ein Jahr später lebten wir in einem Paradies mit Obst und Gemüse und auf dem Hof tummelten sich Gänse, Hühner, Enten und Puten.
Der Puter war Haushahn und Hofhund zugleich, niemand durfte unbefugt das Grundstück betreten. Und Papas Engelein saß still in der Ecke, weil sie sich fürchtete, wenn abends die Tiere Auslauf hatten. Dann saß die ganze Familie vor dem Haus und bewunderte den Sonnenuntergang über dem Hang und erholte sich von der Mühe des Tages. Wir genossen richtig die Ruhe, die wir wegen der lauten Maschinen so lange entbehrt hatten.
Papas Engelein war sehr neugierig, hörte den Erwachsenen zu gerne bei ihren Unterhaltungen zu, statt mit uns herumzutollen.
Wir warfen Tücher in die Luft, als könnten wir die Fledermäuse fangen, die zahlreich über unseren Köpfen hinwegschwirrten, und jubelten, wenn sie sich im Flug auf unsere Tücher stürtzten.
Wegen unseres Obstgartens wurden wir oft von anderen Kindern beneidet. Sie ahnten ja auch nicht, was damit – auch für uns Kinder – für Arbeit verbunden war, und besonders, wenn der liebe Gott die Ernte reichlich ausfallen ließ.
Wer schon einmal Johannisbeeren und Stachelbeeren gepflückt und vom Stiel befreit hat, wird verstehen, daß ich plötzlich den Drang verspürte, Mutters Marmeladenkocherei vorzugreifen. Mit beiden Händen griff ich in den vollen Beereneimer und zermalmte die Beeren mit der Bemerkung: »So, meine Marmelade ist fertig, ich will nicht mehr!«
Obwohl Großvater nie klagte, wußten wir, daß er unheilbar krank war. Mutter nannte es die Gärtnerkrankheit, womit sie Blasenkrebs meinte. Es ging ihm dann irgendwann sehr schlecht und Mutter mußte ihn ins Krankenhaus bringen. Schon wenige Tage später rief der Arzt an, daß es mit Großvater nun wohl zu Ende ginge. Wenn wir uns verabschieden wollten, müßten wir schnell kommen.
Mutter bestellte sich ein Taxi und fuhr, so schnell sie konnte, ins Krankenhaus. Als sie ins Zimmer kam, sah sie ein leeres geordnetes Bett und einen leeren Schrank. Sehr traurig, zu spät gekommen zu sein, suchte sie den Arzt auf, um etwas über seine letzte Stunde zu erfahren.
Der Arzt schaute sie erstaunt an und erklärte: »Wäre Großvater tot, wüßte ich es!« Es begann eine große Suchaktion im Krankenhaus, im Park und im ganzen Ort. Großvater blieb unauffindbar.
Mutter kannte Großvaters Eigensinn und entschloß sich, nach Hause zu fahren. Sie hatte richtig vermutet: Draußen war herrlicher Sonnenschein, es war der erste warme Tag, an dem die Bienen zu schwärmen beginnen. Mutter fand Großvater putzmunter im Bienenhaus, wo er seine Bienen versorgte. Er hatte einen zwölf Kilometer langen Fußmarsch hinter sich, aber er strahlte.
Als er sah, daß Mutter sich sehr wunderte, zeigte er nur zur Sonne und sagte: »Wer sich bei solchem Wetter im Bett lümmelt, verdient nicht, die Sonne zu sehen!«
Großvater Ludwig sah die Sonne noch einige Jahre, ehe ihn der Sensenmann heimholte.
Er hinterließ eine Lücke an unserem Familientisch. An diesem großen runden Tisch unseres Wohnzimmers haben lange Zeit drei Generationen nicht nur Brot, sondern auch Freud und Leid geteilt.
Das nennt man wohl Familienleben, aber dieses stand zugleich auch immer im Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen unserer Stadt, unseres Landes und der großen Politik der Welt. Könnte der Tisch erzählen, könnte er mehr über unsere Familie berichten, als hier durch die Bruchstücke meiner Erinnerungen bewahrt werden kann.


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