| 
Peter Hahn, MAZChristel Berger, ND
 Peter Salchow, RBB
 Gerold Paul, PNN
 Welf Grombacher, MAZ
 
 
Die Autorin Tessy Bortfeldt erzählt die tragische
 Lebensgeschichte der Pädagogin, Journalistin und Fotografin Marie Goslich
 (1858-1936).Trotz ausgezeichneter Bildung und außergewöhnlicher Begabung ist sie
 an die Einschränkungen der preußischen Lebensart gebunden.
 Sie kämpft um materielle, geistige und emotionale Unabhängigkeit,
 erlangt enge Kontakte zum ‘Friedrichshagener Kreis’. Sie arbeitet
 als Gouvernante in höfischen Kreisen, sie ist Mitarbeiterin der
 Preußischen Jahrbücher und schließlich Chefredakteurin einer
 christlichen Frauenzeitschrift. Das Buch enthält 25 erstaunlich
 realistische Originalfotos von Marie Goslich aus der Zeit um 1900, die das
 damalige Arbeitsleben der "einfachen Leute" dokumentieren.
 Peter Hahn, Märkische Allgemeine Zeitung, 18.12.06 
 
Tessy Bortfeldt beschreibt detailliert und äußerst kenntnisreich
 die jeweilige Szenerie, die ihre Heldin erlebte - wie sie die ersten Bilder
 Edvard Munchs in der Berliner Ausstellung sieht, was sie vom Hofball ihres
 Zöglings erfährt, wie das Tagesgeschehen noch einmal am
 Dienstbotentisch durchgehechelt und was abends in den jeweiligen Familien- und
 Freundesgesellschaften besprochen wird. In der Redaktion erlebt sie die
 zeitgenössischen politischen und geistigen Kontroversen, und einer ihrer
 Liebhaber gehört zu den unbeugsamen und unbelehrbaren Sozialisten ... Ein
 Sittenbild und Kulturstreifzug durch die Jahre, wie man es sich nicht besser
 wünschen kann, besonders die Zeit von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg in
 ihren verschiedenen Facetten ist so plastisch und differenziert gezeichnet,
 dass andere »Preußenbilder« sich als Klischee entladen.
 Dieser preußische Alltag barg Geist und Toleranz genauso wie Untertanentum
 und Borniertheit, Emanzipation und Sich-Begnügen-Müssen, Mittelmaß
 und Verstiegenheiten, nur: Es war durchmischt und ungeheuer nuancenreich und
 vielschichtig. Das besondere Verdienst des Buches besteht in seiner Konkretheit
 und Genauigkeit, und dabei handelt es sich immerhin um über siebzig
 Lebensjahre der Marie, und das wiederum sind Jahre immenser gesellschaftlicher
 Entwicklung. War in der Jugend des Mädchens die Monarchie noch eine
 unantastbare Macht, musste die alte Frau nach der Erfahrung der Weimarer
 Republik noch miterleben, wie die neuen Hakenkreuz-Mächtigen errungene
 Werte missachteten, und sie selbst dazu schweigen musste. Dennoch wurde sie
 eines ihrer Opfer.Zum allgemeinen Preußenbild gehören die Junker und Beamten,
 erfolgreiche oder glücklose Könige, militärischer Drill und
 einige Reformen, verknöcherte Schulmeister und ein bisschen Toleranz,
 für die sich kleinere Kreise begeisterten und die manchem Einwanderer
 widerfuhr. Nach etwas, das Frauen betrifft, müsste ich lange suchen.
 Vielleicht Luise oder Effi Briest? Umso verdienstvoller ein Buch, das die
 Entwicklung einer ungewöhnlichen Frau verfolgt: Marie Goslich ist eine der
 ersten Frauen, die in Fotoreportagen und kurzen Texten Berliner und
 Brandenburger Alltagsleben festhielt. Da war sie in der Mitte ihres Lebens;
 eines Lebens, das den heutigen Leser erstaunt.
 1856 geboren, stammte sie aus einer begüterten Familie und hatte wohl die
 Eigenwilligkeit und Courage des Großvaters geerbt, der in seiner Zeit als
 Napoleonverehrer als Außenseiter oder gar Nestbeschmutzer galt. Die
 Halbwaise wächst unter der Obhut von Großmutter und vor allem
 »Mademoiselle« auf und wird nach dem plötzlichen Tod des
 Vaters zusammen mit der jüngeren Schwester in ein Schweizer Internat
 geschickt, wo sie zu Erzieherinnen ausgebildet werden. Das war die damals
 einzige Möglichkeit, Mädchen aus »gutem Hause«
 für spätere Selbständigkeit zu rüsten. Im Haushalt eines
 Gutsbesitzers oder in einer Adelsfamilie säße sie in der
 »Gesindeordnung« dann ziemlich weit oben, und irgendwann
 würde sich ein alternder Hagestolz oder Witwer finden, das gebildete
 Fräulein zu heiraten.
 So war es üblich. Maxie Goslich entgeht diesem Los, auch dank ihrer Neugier
 auf Männer und ihrem Heißhunger auf Wissen. So war es schon im
 Internat, so wird es weitergehen: Als Erzieherin lernt sie interessante Leute
 kennen, Ansichten zur Zeit, zur Kunst, zum Leben, sie absolviert eine
 zusätzliche Sprachausbildung, lernt fotografieren, ist an Literatur,
 Musik und Kunst interessiert. Als sie 30 ist, wird sie in Berlin
 Hilfsredakteurin bei den »Preußischen Jahrbüchern«, hat
 eine eigene kleine Wohnung, besucht Vorlesungen, Ausstellungen, Theater, lebt
 mit einem, den sie liebt und schickt ihn wieder fort, wenn ihr so ist. Aber sie
 bleibt »Hilfs«-Redakteurin, weil sie eine Frau ist. Als ein
 studierter Mann an ihre Stelle gesetzt wird, muss sie froh sein, dass man ihr
 eine neue Anstellung anbietet: Als Gouvernante in der gräflichen Familie
 des höfischen Stallmeisters, was sie ja eigentlich nicht mehr wollte. Aber
 sie wäre nicht die Marie Goslich, wenn sie daraus nichts Annehmbares
 gemacht hätte! Später dann zieht sie nach Potsdam, leitet
 eine Zeitschrift für Frauen, heiratet und sorgt sich um zwei Kinder, die
 nicht sie geboren hat.
 Tessy Bortfeldt hat über zehn Jahre recherchiert und gearbeitet, bis dieses
 umfangreiche Buch fertig war. Da wurde die Autorin, die früher lange Jahre
 bei der DEFA gearbeitet hatte, achtzig Jahre alt. Das Buch ist jung, frisch und
 solide. Eine großartige Leistung!
 Christel Berger, Neues Deutschland, 30.11.2006 
 
Für dieses Buch muß der Leser vor allem eines haben – Zeit,
 Zeit und nochmals Zeit. Dann sollte er sich für die deutsche Geschichte
 interessieren, auch für die Maler und Dichter in den verschiedenen
 Zeitläufen, der Fotografie nicht ablehnend gegenüber stehen und
 Interesse an Gesprächen haben, die in Adelskresen, bei Hofe, im Wedding
 und auf dem Land geführt wurden. Wenn der Leser jetzt sagt, nur zu, dann
 wird er behutsam in das beschriebene Leben der Marie Goslich eindringen, wird
 sich festlesen.Diese Frau hat wahrlich ein bewegtes Leben geführt. 1858 geboren in
 bürgerlichem Hause macht sie eine Ausbildung als Erzieherin. Immer ist sie
 neugierig, will vieles wissen, hat sogar ein Talent zum zeichnen und malen. Da
 tritt ein Fotograf in ihr Leben, macht sie mit dieser Art der
 Menschendarstellung bekannt, zeigt die verschiedenen Techniken. Marie Goslich
 wird ihr Leben lang zur Kamera greifen. Eine frühe Liebe hat Folgen. Marie
 ist noch in der Ausbildung, sie treibt ab, und wird nie wieder eigene Kinder
 bekommen können. Allerdings wird sie als Gouvernante in adlige Kreise
 vermittelt, um deren verwöhnte Kinder auf den rechten Weg zu bringen,
 ihnen Ordnung und Fleiß anzuerziehen. Später ist sie Journalistin
 in Berlin und lernt hier den großen Unterschied zwischen denen von Oben
 und denen dort Unten kennen. Immer schließt sie Kontakte, es entstehen
 Freundschaften, die ihr Leben lang halten. So adoptiert sie den Jungen einer
 Bekannten, als die früh stirbt, sie nimmt auch das Kind einer Balletteuse
 an, die Folge eines Fehltritts ihres Mannes. Marie Goslich ist eine, die sich
 nie unterkriegen lässt, die aber auch bereitwillig von anderen Frauen
 lernt – Emanzipation beginnt schon damals. Später gründet und
 leitet sie eine gärtnerische Genossenschaft in Geltow, versucht Landwirte
 und Fischer in einen Kahn zu bekommen, scheitert letztendlich an der mangelnden
 Solidarität der Männer.
 Wenn ein Mensch im Kaiserreich lebt, dann den 1. Weltkrieg erlebt, die
 nachfolgende Revolution und schließlich das Aufblühen des
 Nationalsozialismus – ist der Rahmen gesteckt für eine Vielzahl von
 Personen, für Gespräche und Dispute der unterschiedlichsten Art,
 für Streit zwischen Kaisertreuen und Sozialdemokraten und so weiter. Die
 Autorin hat nicht nur eine Fleißarbeit darin getan, die Menschen um Marie
 Goslich ausfindig zu machen, ihre Briefe zu sammeln, nach den Fotos zu suchen
 – sie hat den lohnenswerten Versuch unternommen, Zeitgeschichte in den
 Gesprächen lebendig werden zu lassen. Wie war es bei Hofe, worüber
 und wie parlierten die Anwesenden, wie dachte und sprach der Arbeiter dieser
 Zeit – dieses Buch gibt die Antworten, auch wenn manche Wiederholung
 die Leselust etwas hemmt. Und dem Verlag sei für Aufmachung, Druck und
 Gestaltung gedankt. Wann hatte ich zuletzt ein Buch mit zwei eingewebten
 Lesezeichen in der Hand?
 Peter Salchow, "Kulturszene", Rundfunk Berlin Brandenburg, 06.07.06 
 
Einer hat sein Leben gelebt, Erinnerung und Zeugnisse hinterlassen, ein zweiter
 wusste davon, der erzählt's einem Dritten - ein Roman wird daraus, und
 schon ist es fast wie am Anfang. So geht es oft im intellektuellen Leben zu.
 Marie Goslich (1859-1936) war die erste: Tochter eines Appellationsgerichtsrates
 aus Berlin, Erzieherin am königlich-preußischen Hofe mit Liebe zur
 Malerei und Fotografie, dann - immer mehr von der Emanzipation angesteckt und
 unglücklich verheiratet - wurde sie Chefredakteurin einer christlichen
 Hausfrauenzeitschrift in Potsdam.Sie durchstreifte die Gegend rund um den Schwielowsee, lichtete Landschaft und
 Menschen ab, erstklassige Zeitzeugnisse heute. Viele dieser Fotos bildeten am
 Samstag den Hintergrund für eine so heitere wie passgerechte
 Buchpräsentation des Märkischen Verlages Wilhelmshorst am selben Ort.
 Wie Albrecht Herrmann durch seinen Vater von Marie erfuhr, so erfuhr die
 Autorin Tessy Bortfeldt - als Dritte - wiederum von ihm über sie. Mehr als
 zehn Jahre aufwändiger Recherchen brauchte es, bevor die buch- wie
 kunstinteressierte Schauspielerin, das umfangreiche Manuskript abschloss.
 "Frühes Licht und späte Schatten" kommt gerade rechtzeitig,
 um allen, die "preußische Biographien", inspirierende
 Beschreibungen von Berlin, Potsdam und dessen Umland lieben - oder emanzipierte
 Frauenliteratur zu lesen begehren, eine Freude zu bereiten. Schauplätze und
 fast alle Namen sind authentisch, manche Gelegenheit nur ausgedacht, gewiss auch
 viele Gedanken.
 So weiß man nicht genau, wo Marie Goslich "aufhört" und
 Tessy Bortfeldt "anfängt". Vielleicht bei der Abneigung gegen
 Preußisch-Militantes, vielleicht dort, wo die Autorin mit Laura Marholm
 und Georg Lucacs über Frauenrecht oder gesellschaftliches Engagement
 sinnierte. Der emanzipatorische Zuschlag ist jedenfalls deutlich.
 Der Dickleiber, mit viel Herz verfasst, kann mit einer gewissen Heiterkeit
 gelesen werden. Einige Fotos von Marie Goslich sind im Buche abgedruckt.
 Maries Leben endete tragisch: In seniler Verwirrung brachte man sie 1936 nach
 Neuruppin, wo sich ihre Spur in einem "Zentrum der Euthanasie" verlor.
 Doch bekanntlich lebt, wes Namen man ruft, und dies nun haben mehr als Dreie getan.
 Gerold Paul, Potsdamer Neueste Nachrichten, 19.12.05 
 
Ein gewichtiger Roman über das bewegte Leben der Marie Goslich, dieser 1858
 geborenen Frau, die sich von der Gouvernante in höfischen Kreisen zur
 Chefredakteurin einer in Potsdam publizierten christlichen Frauenzeitschrift
 hocharbeitet, die als Fotografin, Journalistin und ein bisschen auch als
 Frühfeministin von sich Reden machte.Mehr als zehn Jahre recherchiert die Autorin über das Leben der Marie Goslich.
 Studiert Quellen und unterhält sich mit Lieselotte Herrmann, der Wirtin von
 Baumgartenbrück, wo Goslich die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte. 1936
 wird die "rote Marie", wie sie wegen ihrer Aktivität für die
 Sozialdemokraten genannt wird, ein frühes Opfer der Nationalsozialisten.
 In den Neuruppiner Kliniken wird sie im Zuge der "Euthanasie"
 ermordet - weil die alte Dame zuvor nackt in der Havel gebadet hatte, wie es
 heißt.
 Tessy Bortfeldt durchleuchtet das Leben der Goslich aus der Innenperspektive.
 Mit Rückblicken führt sie anschaulich vor, wie die selbständige
 Frau trotz Emanzipation zeitlebens zwischen den Männern schwankt. Mal vom
 einen, mal vom anderen schwärmt oder sich fördern lässt. Hin und
 wieder verliert sich die Autorin jedoch in den durcheinander wirbelnden
 Reflexionsebenen - die es ihr allerdings ermöglichen, nicht nur die private
 Geschichte ihrer wachen Protagonistin zu erzählen, sondern zugleich ein
 gewissenhaftes Sittenbild zu zeichnen, das vom Kaiserreich bis zum Beginn des
 NS-Terrors reicht. Der biographische Roman wird so zu einem historischen Dokument.
 Nicht alles hat sich so ereignet wie von Bortfeldt beschrieben. Manche Figuren sind
 frei erfunden. Aber alles hätte sich so oder so ähnlich abspielen
 können. Ein heute vergessenes Frauenleben tritt durch den Roman noch
 einmal in den Fokus der Öffentlichkeit.
 Welf Grombacher, Märkische Allgemeine Zeitung, 19.12.05 |